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Frei nach den Märchen der Gebrüder Grimm

Es war einmal ein Verein an der Bremer Brücke. Dort lebte ein Trainer. Er war klug und gescheit, und wusste sich in alles wohl zu schicken. Der Co-Trainer war nicht dumm, konnte vieles begreifen und lernen. Trotzdem wenn die Beiden die Leute sahen, sprachen sie: „Mit dem wird der Verein noch seine Last haben!“ Wenn nun am Wochenende etwas zu tun war, so musste es der Trainer Thioune allzeit ausrichten; hieß ihn aber der Verein noch spät freitags oder gar in der Nacht am Montag ein Spiel machen, und der Weg ging dabei über Münster oder sonst einen schaurigen Ort, so antwortete er wohl: „Aber sicher, lieber Verein, ich gehe dahin.“ Denn er fürchtete sich nicht. Oder wenn abends beim Feuer Aufstiegsgeschichten erzählt wurden, wobei einem die Haut schaudert, so sprachen die Zuhörer manchmal: „Ach, es gruselt mir!“ Der Trainer saß in einer Ecke und hörte das mit an und konnte nicht begreifen, was es heißen sollte. „Immer sagen sie, es gruselt mir, es gruselt mir! Mir gruselt’s nicht. Das wird wohl eine Kunst sein, von der ich wohl nichts verstehe.“

Nun geschah es, dass der Vereinsboss einmal zu ihm sprach: „Hör, du in der Ecke dort, du bist nun groß und stark, du musst auch einmal richtig Aufsteigen. Damit du dein Brot verdienst. Siehst du, wie dein Nachbar sich Mühe gibt, aber mit dir ist die dritte Liga verloren.“ – „Ei, lieber Verein,“ antwortete er, „ich will gerne was lernen; ja, wenn’s anginge, so möchte ich lernen, daß mir’s gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.“ Die Mannschaft lachte, als sie das hörte und dachte bei sich: Du lieber Gott, was ist unser Coach für ein Dummbart, mit dem wird kein Spieltag nichts. Was ein erfolgreicher Trainer werden will, muss sich beizeiten kümmern. Der Vereinschef seufzte und antwortete ihm: „Das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen.“

Bald danach kam aus Hamburg Besuch ins Haus. Da klagte ihm der Vereinschef seine Not und erzählte, wie sein bester Trainer in manchen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er siegte und trainierte zwar vorbildlich. “ Aber denkt Euch, als ich ihn fragte, womit er sein Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt, das Gruseln zu lernen.“ – „Wenn’s weiter nichts ist,“ antwortete der Jonas Boldt, „das kann er bei mir lernen; tut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln.“

Der Verein war es zufrieden, weil er dachte: Der Trainer wird doch ein wenig zugestutzt. Der Hamburger nahm ihn also ins Haus, und er musste den HSV trainieren. Nach ein paar Monaten schickte er ihn ans Millerntor. Du sollst schon lernen, was Gruseln ist, dachte er, ging heimlich voraus, um sich das Spiel von der VIP-Longe anzuschauen. Die Mannschaft von St. Pauli lief in den Vereinsfarben auf, damit der gegnerische Trainer glauben sollte, es wäre ein Gespenst. Der Trainer rief zur Mannschaft: „Was wollt ihr hier? Sprich, ein Unentschieden ist nicht genug. Wenn ihr ehrliche Kerle seid, dann siegt hier oder ihr fallt in der Tabelle hinab.“ Der Vereinsboss dachte: Das wird so schlimm nicht werden, gab keinen Laut von sich und stand, als wenn er von Stein wäre.

Doch das Rufen des Trainers war vergeblich. Das Unglück nahm seinen Lauf.

Der HSV verlor mit lautem Geschrei.

Daniel Thioune: Der nun Ex-HSV-Trainer war seit Sommer 2020 im Amt. (Quelle: Jan Huebner/imago images)
Daniel Thioune: Der nun Ex-HSV-Trainer war seit Sommer 2020 im Amt. (Quelle: Jan Huebner/imago images)

 
Der Trainer ging weiter seines Wegs und fing wieder an, vor sich hin zu reden: „Ach, wenn mir’s nur gruselte! Ach, wenn mir’s nur gruselte!“ Das hörte einer vom Aufsichtsrat, der hinter ihm her schritt, und fragte: „Wer bist du?“ – „Ich weiß nicht,“ antwortete der Trainer. Der Aufsichtsratsvorsitzende fragte weiter: „Wo bist du her?“ – „Ich weiß nicht.“ – „Wer ist dein Heimatverein?“ – „Das darf ich nicht sagen.“ – „Was brummst du beständig in den Bart hinein?“ – „Ei,“ antwortete der Trainer, „ich wollte, dass mir’s gruselte, aber niemand kann mich’s lehren.“ – „Laß dein dummes Geschwätz,“ sprach alte Mann. „Komm, geh mit mir, ich will sehen, wie Du in die 1.Liga aufsteigst.“ Der Trainer ging mit dem Mann und machte weiter wie bisher und verlor fünfmal hintereinander. Als er nun zum Vereinsboss kam, da machte der große Augen. „Ich dachte nicht,“ sprach er, „daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?“ – „Nein,“ sagte er, „es ist alles vergeblich. Wenn mir’s nur einer sagen könnte!“


Im letzten Spiel setzte er sich wieder auf seine Trainerbank und sprach ganz verdrießlich: „Wenn es mir nur gruselte!“ Als es spät ward, kam in der zweiten Halbzeit ein Spieler vom KSC und brachte ein Tor zustande. Da sprach er: „Ha, ha, das ist gewiss mein Untergang.“ Winkte mit dem Finger und rief, „komm, Vetterchen, komm!“.  Der Vereinsboss aber hub an und rief: „Jetzt will ich dich erwürgen.“ – „Was,“ sagte er, „ist das mein Dank? Gleich sollst du wieder in deine VIP-Lounge.“ schob ihn weg, warf ihm einen Wasserflaschendeckel hinterher. „Es will mir nicht gruseln,“ sagte er, „hier lerne ich’s mein Lebtag nicht.“

Zurück im heimischen Stadion beim Training. Da trat ein Mann heran, der war größer als alle anderen, und sah fürchterlich aus; er war aber alt und hatte einen langen weißen Bart. „O du Wicht,“ rief er, „nun sollst du bald lernen, was Gruseln ist, denn du wirst gefeuert.“ – „Nicht so schnell,“ antwortete der Trainer, „soll ich gehen, so muss ich auch dabei sein.“ – „Dich will ich schon packen,“ sprach der Hrubesch. – „Sachte, sachte, mach dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stärker.“ – „Das wollen wir sehn,“ sprach der Alte, „bist du stärker als ich, so will ich dich weiter trainieren lassen; komm, wir wollen’s versuchen.“ Da führte er ihn durch dunkle Stadiongänge zu einem Bierstand, nahm einen Becher und schüttete sich den mit einem Mal in den Hals. „Das kann ich noch besser,“ sprach der junge Trainer und ging zu dem andern vollen Becher. Der Alte stellte sich nebenhin und wollte zusehen, und sein weißer Bart hing herab. Da schloss der der junge Trainer die Eingangstür und klemmte den Bart des Alten mit hinein. „Nun habe ich dich,“ sprach der Trainer Thioune, „jetzt ist das Nichtaufsteigen an dir.“ Dann fasste er eine Baquettestange und schlug auf den Alten los, bis er wimmerte und bat, er möchte aufhören, er wollte ihm große Reichtümer geben. Der junge Trainer öffnete wieder die Tür und ließ ihn los. Der Hrubesch führte ihn wieder ins Stadion zurück und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voller Pokale. „Davon,“ sprach er, „ist ein Teil von den Meisterschaften, der andere dem DFB-Pokal, der dritte Championsleague.“ Indem schlug es zwölfe, und der Hrubesch verschwand, also dass der Thioune im Finstern stand. „Ich werde mir doch heraushelfen könner,“ sprach er, tappte herum, fand den Weg in die Umkleide und schlief dort bei einem Astra ein. Am andern Morgen kam der Vereinsboss und sagte: „Nun wirst du gelernt haben, was Gruseln ist?“ – „Nein,“ antwortete er, „was ist’s nur? Mein alter Freund, der bärtige Mann ist gekommen, der hat mir da unten vielen Pokale gezeigt, aber was Gruseln ist, hat mir keiner gesagt.“ Da sprach der Chef: „Du hast das den Verein zerstört und sollst nun ein HSV-Trikot zum Abschied erhalten.“ – „Das ist alles recht gut,“ antwortete er, „aber ich weiß noch immer nicht, was Gruseln ist.“

Da ward der Europapokal heraufgebracht und das HSV – Trikot mit den Namen Thioune beflockt. Der Trainerwechsel wurde verkündet und der Abschied gefeiert. Es gab ein ganzes Fass Holsten. Er trank und rief: „Ach, was gruselt mir, was gruselt mir, lieber HSV – Verein! Ja, nun weiß ich, was Gruseln ist.“

Osnabrück, 03.05.2021 

Titelbild: Photo by Mario Klassen on Unsplash

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Levi büxt aus

Verdammt ist mir heiß! Ich liege auf den kühlen Fliesen im abgedunkelten Schlafzimmer. Wir haben Sommer sagt mein Frauchen und diese Hitze wäre nicht normal. Das kann ich nicht beurteilen, denn es ist erst die zweite heiße Jahreszeit in meinem Leben.

Übrigens, ich heiße Levi und habe zu Weihnachten das Licht der Welt erblickt. Ok, zugegeben, am Anfang war ich ein kleines süßes Katzenbaby und habe nicht viel gesehen. Mein Frauchen meint ich wäre das beste Weihnachtsgeschenk der Welt, sogar ohne rote Schleife und Geschenkpapier. Beim letzten Weihnachtsfest habe ich dann selbst ein Geschenk bekommen. Einen eigenen Wasserspender, welcher immer los plätschert, wenn ich in der Nähe bin. Am Anfang war das ganz aufregend, aber nun ist es einfach nur mein Trinkbrunnen.

Illustration: Kater Levi – Andrea Schramk (andiart)

Inzwischen bin ich groß und stark, fast wie ein Löwe. Ich habe stahlgraue Augen und eine graublaue, dicke Fellmähne. Mein kurzes Fell ist perfekt gepflegt. Es funkelt sogar in der Sonne. Ich und mein Frauchen leben am Rande einer großen Stadt. Wo genau, habe ich noch nicht herausgefunden. Aber sobald ich es weiß, erzähle ich es euch. Mein Frauchen liebt mich über alles. Aus Sorge, mir könnte etwas passieren, darf ich das Haus nie verlassen. Da passt sie sehr auf.

Früher fand ich in der Wohnung alles neu und interessant: die Möbel, die Staubflusen unter dem Bett, die Küchengeräte auf und in den Schränken. Die Wohnung war mein Abenteuerspielplatz. Dabei stand ich kleiner Abenteurer immer unter der Beobachtung meines fürsorglichen Frauchens. Sie rettete mich schon aus so manch brenzliger Situation. Zum Beispiel, als ich mich in einer dicken Wolljacke verhedderte oder versehentlich im Kleiderschrank eingesperrt wurde. Das war vielleicht ein Schreck! Aber ich bin einfach zu neugierig. Ich erkunde jedes Versteck und jede Schublade, egal wie dunkel es darin ist.

Inzwischen kenne ich alle Ecken und jedes Regal. Ich war sogar schon im Kühlschrank, obwohl es da so kalt ist. In letzter Zeit langweile ich mich aber fürchterlich. Etwas Abwechslung gibt es nur ein bis zwei Mal im Jahr. Da geht es zum Tierarzt in die Stadt. Das ist immer sehr aufregend. Aber durch das Katzenkörbchen kann ich auf dem Weg dorthin nicht viel sehen, obwohl alles so interessant ist.

Bei dem ersten Besuch hatte ich noch große Angst. In der Praxis war alles fremd, der Warteraum, der Untersuchungstisch und die unbekannten Menschen in den komischen weißen Kleidern. Da lag ich mucksmäuschenstill, wagte mich kaum zu rühren. Mein Herz klopfte ganz aufgeregt, als der Tierarzt mich vorsichtig mit einem komischen Gerät untersuchte. Danach schaute er mir in den Mund und in die Ohren. Es tat gar nicht weh und dauerte auch nicht lange. Ich war gesund und stolz auf meinen Mut.

Illustration: Kater Levi beim Tierarzt – Andrea Schramek (andiart)

Heutzutage habe ich keine Angst mehr, bin ja schon groß. Die Fahrt mit dem Auto in die Tierarztpraxis ist aber trotzdem immer wieder spannend.

Ich glaube nicht, dass wir heute zum Tierarzt fahren werden. Dafür ist es einfach zu heiß. Die Sonne strahlt funkelnd vom blauen Himmel herab. Ich gähne und strecke mich genüsslich. Langsam schlendere ich in die Küche.

Zum Schlafen liege ich meistens auf dem Bett oder auf meinem Kletterbaum ganz oben. Am Tag ist mein Lieblingsplatz das Fensterbrett in der Küche. Von hier aus kann ich auf die Straße und den dahinter liegenden Wald sehen. Da draußen ist immer etwas los. Bäume und Blätter bewegen sich im Wind. Kleine und große Piepmätze flattern vorbei, ein farbiges Flatterding torkelt vorüber oder unbekannte Menschen gehen mit fremdartigen Vierbeinern an Leinen spazieren. Große, bunte Kisten fahren lärmend auf der grauen Straße. Vor dem Fenster ist immer etwas los. Ach, ich wäre so gern dort draußen unter freiem Himmel. Seufz!

Illustration: Kater Levi im Küchenfenster – Andrea Schramek (andiart)

In der Küche angekommen, werfe ich einen Blick auf die leere Schüssel, kein Futter mehr da. Dann springe ich zum Fensterbrett hinauf, um aus dem Fenster zu schauen. Doch was ist das? Ich spüre sofort einen leichten warmen Windhauch auf meinem Fell. Es riecht nach Blumen und vertrocknetem Gras. Mein Spiegelbild ist auch nicht zu sehen, was sonst immer der Fall war. Das Fenster ist offen! Das kann doch nicht sein, oder? Schnell schaue ich mich um, kein Aufpasser in der Nähe. Nach kurzem Zögern springe ich, ohne groß nachzudenken, Schwupps hinaus. Das Gras und etwas Moos vor dem Haus dämpfen meinen Aufprall federnd ab. Etwas erstaunt schaue ich zurück, die steile Hauswand nach oben. Das Fenster in der 1. Etage kann ich von hier unten gerade noch sehen. Ups, ist das hoch! Von da war ich gesprungen. Kaum zu glauben.

Der Wald mit seinen geheimnisvollen Geräuschen ist jetzt ganz nah. Ich renne los und höre ein lautes Quietschen. Eine der bunten Blechkisten ist genau vor meiner Nase stehen geblieben. Der Mensch hinter dem Lenkrad schaut erschrocken auf mich herab. Das war knapp! Jetzt weiß ich, warum alle Menschen immer so häufig nach rechts und links schauen, wenn sie eine Straße überqueren. Ich dachte stets, die sind aber ziemlich blöd, können nicht einmal schnell über die Fahrbahn flitzen.

Illustration: Kater Levi und die Amsel – Andrea Schramek (andiart)

Geschockt renne ich einfach weiter auf den Wald zu. Mit stark pochendem Herzen kauere ich mich unter den ersten Busch am Waldrand und spähe hervor. Die Gefahr scheint vorüber zu sein. Doch in dem Augenblick flattert ein schwarzes Ungeheuer mit einem orangegelben spitzen Schnabel laut schimpfend direkt auf mich zu. Hilfe!

Vor lauter Angst zucke ich zurück, drehe mich um und flitze so schnell ich kann los. Ich laufe vorbei an Buchen und Eichen, deren Stämme genauso dick und rund wie der Esstisch im Wohnzimmer sind, immer tiefer in den Wald hinein. Bis auf einmal ein kleiner Teich, zum Teil mit rundlichen Blättern und wunderschönen Blüten bedeckt, meine wilde Flucht stoppt.

Illustration: Kater Levi und der Frosch – Andrea Schramek (andiart)

Ich halte entkräftet und durstig an. In dem Augenblick, als ich meine Zunge in das kühle Nass tauche, klatscht neben mir etwas in die große Pfütze. Erschrocken schaue ich in zwei runde Glupschaugen. „Quak“ begrüßt mich der grüne Fremde, taucht unter und verschwindet im Wasser. So ein komisches Tier, ohne Fell und mit langen Beinen und Schwimmhäuten an den Füßen habe ich noch nie gesehen. Was wollte ich gerade? Ach, trinken. Schnell schlecke ich ein paar Schlucke. Mmmh, das tut gut!

Ein Rascheln im Laub lässt mich herumfahren. Ein kleiner Vierbeiner mit einer spitzen Schnüffelnase kommt näher. Was ist das für ein komisches Fell? Die halbe Portion kommt vorsichtig schnuppernd näher. Das will ich mir mal genauer anschauen und gehe langsam, aber mutig auf ihn zu. Das kleine Tier fühlt sich bedroht und rollt sich schnell zusammen.

Illustration: Kater Levi und der Igel – Andrea Schramek (andiart)

Nun sieht der Unbekannte wie eine stachelige Kugel aus. Ich schnuppere vorsichtig und es pikst an der Nase. Aua, das tut weh! Respektvoll umkreise ich das Stacheltier zweimal. Das reicht, ich habe genug gesehen. Wer braucht schon so einen gefährlichen Spielkameraden?

Nun bin ich vorsichtiger und schleiche weiter in den dunklen Wald hinein. Ob es hier noch mehr Bewohner gibt?

Illustration: Kater Levi allein im Wald – Andrea Schramek (andiart)

Mitten im Wald ist eine kleine Lichtung versteckt. Die breiten Blätter der großen Bäume rundherum spenden reichlich Schatten an diesem heißen Sommertag. Die Wiese ist hoch bewachsen mit bunten Blumen und saftig grünen Gras. Ich bin erschöpft und brauche eine kleine Pause. Zusammengerollt schlafe ich im Schatten eines Grasbüschels sofort ein.

Inzwischen ist die Sonne hinter den Bäumen verschwunden und es wird langsam kühl, als ein leichter Stupser mich aufweckt. Zwei braune Augen schauen neugierig auf mich herab. Wow, was für lange dünne Beine und bin ganz verzückt. „Na, was machst Du denn hier?“, werde ich gefragt. Die Äuglein zwinkern mir freundlich zu. Die Anspannung ist nun weg. „Ich komme von da drüben von den Häusern. Wollte mal sehen, was es hier zu entdecken gibt.“

„Aha, hast Du denn keine Angst so allein im Wald?“

„Du bist doch auch hier allein unterwegs“, gebe ich frech zurück. „Ja sicher, ich bin ein Reh und wohne hier.“ Das freundliche Reh lächelt mir zu und knabbert dabei weiter genüsslich an den langen, grünen Grashalmen.

Illustration: Kater Levi und das Reh – Andrea Schramek (andiart)

In diesem Moment beginnt es in den Bäumen über mir laut zu hämmern. Tuck, Tuck, Tuck! Ich blicke nach oben und kann einen Vogel in einem schwarz-weiß-roten Gefieder sowie einem weißen Bauch entdecken. So einen Piepmatz habe ich vom Fenster aus noch nie gesehen. Dieser hier hämmert wie wild auf einen morschen Baum ein, um gleich darauf ein kleines Würmchen zu verschlucken. Ob der Piepvogel bei so vielem Hämmern Kopfschmerzen bekommt? Das war viel Arbeit, um an Futter zu kommen. Zu Hause liegen die Leckereien einfach so im Fressnapf.

„Das ist ein Buntspecht“, erklärt das Reh, „wohnt schon länger hier in der Gegend. Das wilde Klopfen nervt aber schon ab und zu.“

„Levinatisch! “, kann ich nur sagen.

„Was ist levinatisch?“

„Ganz einfach, das ist meine Abkürzung für Levi mega fantastisch.“

„Aha!“, das Reh ist beeindruckt.

„Da will ich mal nicht weiter stören. Auf Wiedersehen.“ Dann schleiche ich lautlos über die Wiese und tauche in dichtes Unterholz ein.

Sträucher mit kleinen samtigen roten Früchten dran stechen und zwicken in mein weiches Fell. Das gefällt mir gar nicht. „Blöde Pflanzen!“

Zur gleichen Zeit landet mit einem tiefen Brummen ein schwarzbrauner Käfer mit einem Geweih auf seinem Kopf direkt vor meiner Nase. So ein gigantisches Krabbeltier habe ich noch nie im Leben gesehen. Der Käfer, größer als meine Tatze, ist hektisch in seinem Erdversteck verschwunden, bevor ich ihn genauer untersuchen kann. Schade, ich hätte gern mehr erfahren. Zum Beispiel, warum der Käfer große Zangen am Kopf trägt und ob die nicht hinderlich beim Laufen sind.

Illustration: Hirschkäfer – Andrea Schramek (andiart)

Wer hätte das gedacht, dass hier so viele Lebewesen in so einem kleinen Waldstück wohnen. Ein paar Schritte weiter ist der kühle Wald auf einmal zu Ende. Hier wachsen keine Bäume mehr. Es gibt keinen Schatten. Die tief stehende Sonne scheint ungehindert auf ein weites Feld vor mir. Was es dort wohl zu entdecken gibt?

März 2021

Titelbild: Illustration Andrea Schramek (andi-art-love)

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Fortsetzung : Kater Levi und seine Abenteuer:

Ab sofort als Kinderbuch erhältlich!

Taschenbüchlein 21 x 15 cm, 44 Seiten mit vielen Illustrationen von Andrea Schramek (andiart)

Preis: 12,99 EURO zzgl. Versand 1,90 EURO ISBN: 978-3-9822772-1-9

Bestellung: via E-Mail: ingo_ebert@web.de oder via Kommentar oder Amazon

Die Antwort zur Frage

Geboren an einem 8.8. in Hamburg und aufgewachsen in einfachen, bürgerlichen Verhältnissen in einem Hochhaus am Stadtrand von Hamburg, galt mein Bestreben zunächst dem Ziel, ohne nennenswerten Aufwand durchs Leben zu kommen.
Ein Vorhaben, das sich bestens bewährte und das ich in Form maximaler Faulheit zu meinem Lebensmotto erhob. Die Daseinsform des größtmöglichen Müßiggangs optimierte ich in den darauffolgenden Jahren ständig und schuf hierin immer wieder neue Superlative.

Irgendwann hatte ich jedoch die Erkenntnis, dass dies zwar ein Lebensmodell ist, das in jungen Jahren durchaus geeignet ist, ein gleichermaßen stressfreies wie freudvolles Leben zu führen, im fortgesetzten Alter jedoch mit finanziellen Problemen einhergehen könnte.
Im Zuge dieser Erkenntnis sah ich mich in Gedanken immer häufiger als Rentner ohne Rente auf einem geliehenen Fahrrad zu einer Tankstelle fahren, um dort auf Basis eines Minijobs verkäuferisch tätig zu sein.

Perspektive

Diese Perspektive schied für mich definitiv aus und vermieste mir ab da meinen Alltag, der bis dato durch gelebte Untätigkeit gekennzeichnet war, die nur durch Vergnügungen unterbrochen wurde.
Ein neues Lebensmodell musste her, und zwar eines, bei dem nur die Parameter „Nichtstun“ und „kein Minijob im Alter“ gesetzt waren. Zumindest perspektivisch.

Mir ist heute noch nicht klar, wie viele Möglichkeiten es bei diesen beiden Voraussetzungen tatsächlich gibt, ich kam damals immer wieder nur auf eine. Nämlich die, in möglichst kürzester Zeit so viel zu verdienen, dass ich so schnell wie möglich wieder faul sein konnte.

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Als wirklich revolutionär erwies sich dieser neue Gedanke von mir nicht, ebenso zeigte sich schnell, dass ich scheinbar nicht der Erste war, der auf dieses vermeintlich bahnbrechende Zukunftsmodell gekommen war.
Daraus ergab sich, dass ich auf DAS Instrument kommen musste, das mir den Weg dorthin ermöglichte. DAS Werkzeug zum Glück, DEN Türöffner zur Verheißung.
Werkzeuge und Türöffner dieser Art haben es an sich, dass sie Einem weder zufallen noch verordnet werden, und so dauerte es lange, bis ich auf sie kam.
Dafür haben sie sich so in mir manifestiert, dass ich bis heute an ihre Wirksamkeit glaube. Man findet sie auch in einem meiner Zitate und sie lauten:

„Erfolg hat nur zwei Zutaten: Genialität oder Besessenheit“.

Genialität wäre mir lieber gewesen, aber mir war zeitgleich mit meiner Erkenntnis klar geworden, dass ich eindeutig zur zweiten Fraktion gehöre, und ich, sofern ich den verheißungsvollen Zustand eines Alltags ohne Erwerbstätigkeit erreichen möchte, ab nun eine komplett andere Initiative an den Tag zu legen hatte als bisher.
Ich legte also den Schalter um 180 Grad um, und der Rest ist (fast) schnell erzählt.
Meine Karriere in einem großen deutschen Konzern verlief gleichermaßen schnell wie geradlinig und mit Mitte Dreißig wurde ich Prokurist bei einem seiner größten Kunden.
Das Gehalt war hoch, das Auto groß, das Haus auch, und die Scheidung teuer.

das Ziel

Mir wurde klar, ich hatte mein Ziel aus den Augen verloren.
Ich hatte mich verführen lassen und mich in einen Strudel von Annehmlichkeiten ziehen lassen, die mich über all das hinweg trösten sollten, für das ich eigentlich angetreten war.
Aber von dem ich mich immer mehr entfernt hatte.
Ich hatte vermeintlich alles, aber von dem was mir wirklich wichtig war, nichts. Nämlich Zeit.

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Letztendlich brauchte es dann doch einen Auslöser, der mich zum Handeln brachte.
Ich war im Urlaub in Italien, als ich von meinem Bruder vom Tod seiner Tochter kurz vor ihrem 6. Geburtstag erfuhr.
Das war der Tag, der mein Leben veränderte. Für immer.
Auf einmal war alles klar, vor allem der weitere Weg. Der Tod, das Leben, der Inhalt. In aller Klarheit.

Warum hatte es diesen Schicksalsschlag gebraucht, um mich wieder darauf zu besinnen, was mir wirklich wichtig war und wofür ich mein Leben verwenden wollte …

Ich fuhr sofort zurück nach Deutschland und noch vor der Beerdigung kündigte ich meinen ausgezeichnet bezahlten Job.
Ohne etwas Neues zu haben.
Dafür ein exklusives Haus am Münchener Stadtrand, das nach monatlicher Abzahlung rief, plus meinen neuen Wohnraum, der mir ebenfalls nicht kostenlos zur Verfügung gestellt wurde sowie die monatlichen Belastungen rund um eine ebenfalls nicht zum Sonderpreis erhaltene Scheidung.
ABER: ich war frei! Ich spürte, dass es jetzt losging. Zwar noch nicht, womit, aber wenn nicht jetzt, wann dann. Das war DER Moment, auf den ich so lange gewartet hatte!

die Firma

Ich gründete eine Firma und mietete mir in der Nähe ein Blockhaus.
Ich ließ mich dort als Händler nieder und ließ mir von Firmen aus derjenigen Branche, in der ich mein ganzes Berufsleben tätig war, Kundennummern geben.

Ich ließ mir für einen überschaubaren Betrag einen Onlineshop programmieren und verbrachte Monate damit, darin Tag und Nacht Artikel meiner neuen Lieferanten anzulegen, den Shop zu gestalten, seine Funktionen zu optimieren, Gespräche mit Dienstleistern und Logistik-Unternehmen zu führen und legte kurz nach meinem 44. Geburtstag los, in dem ich einen Artikel verkaufte.
Zum Erlös legte ich etwas dazu und kaufte davon zwei Artikel. Von deren Erlös kaufte ich drei, von deren Erlös vier.
Und so weiter.
Mein Handelsgeschäft lief an, ohne Schulden gemacht zu haben.
Und so sollte es immer bleiben, bis ich es als Ausbildungsbetrieb mit 20 Mitarbeitern und einem annähernd 8-stelligen Jahresumsatz knapp 4 Jahre später verkaufte.

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Dies zu einem Preis, von dem klar war, dass er mir ein Leben ohne jegliche weitere Verpflichtungen ermöglichen würde. Sonst hätte ich es nicht gemacht. Ich war 48 und für den Rest meines Lebens frei.
Und hatte dafür nichts Weiteres getan, als Teil 2 meines Mottos anzuwenden.
Und hatte Besessenheit gelebt.
Wenn man es genau nimmt, hatte ich im Prinzip diese 4 Jahre nahezu komplett in der Firma verbracht. So gut wie kein Urlaub, Wochenende oder Feiertag.
Der stinkend faule Hund als Workoholic mit 90 Stunden-Woche.
Aber er wusste ja wofür und hatte ein klares Ziel vor Augen.
Mit Besessenheit und ohne Schulden eine Firma hoch profitabel machen und sie dann verkaufen.

die Freiheit

Meine daraufhin stattfindende Freiheit dauerte genau ein Dreiviertel Jahr, nämlich bis zu dem Anruf der neuen Inhaber 9 Monate nach meinem Ausscheiden und der Frage, ob ich die Firma zurück geschenkt haben möchte.
Bei Übernahme aller Schulden. Sie sei am Ende.
Ein übermäßiges Beauftrage von Dienstleistern und Beratern sowie hemmungslose Kapitalabflüsse in die eigenen Taschen hatten die ehemals hoch-profitable Firma in den Ruin getrieben.
(Nur am Rande, wäre sie nicht derart hoch-profitabel gewesen, hätte mir niemand den Preis für sie gezahlt, den ich für sie erhalten habe).
Ich ließ mir die aktuellen Zahlen geben, die jedoch ein derart düsteres und aussichtsloses Bild zeichneten, dass ich ablehnte.
Am Tag darauf ging die 6 Jahre vorher von mir unter Gründungsschmerzen an den Start gegebene Firma insolvent.

Die Insolvenz riss auch die Firma der neuen Inhaber mit in den Abgrund.
Und mit ihr eine Forderung an selbige, die ich an sie noch hatte.
Die dritte Kaufpreis-Rate, die schon lange fällig gewesen war und deren Verschiebung ich angesichts der prekären Situation der Firma immer wieder zugestimmt hatte.
Obwohl ich damit über Nacht einen Betrag in der Größenordnung von 3 Porsches verloren hatte, litt ich viel eher darunter, dass nun all die Menschen, die ich in den Jahren vorher persönlich eingestellt hatte, nun in die Arbeitslosigkeit rutschten, und dies nur, weil die neuen Betreiber die Firma finanziell ausgeblutet hatten.

Ich beschloss, diese Menschen wieder einzustellen.
Ich kaufte aus der Insolvenzmasse meinen alten Firmen-Kern und nach einem Dreiviertel Jahr harter Vorbereitung ging ich mit meiner alten Stamm-Mannschaft erneut an den Start.

Photo by Austin Distel on Unsplash

Und als ob es auch darum ging, zu beweisen, dass die Insolvenz meiner verkauften Firma völlig unnötig und nur durch die maßlose Gier der neuen Inhaber verursacht war, wurde die zweite Firma noch erheblich erfolgreicher als die erste.

Vielleicht auch deswegen, weil ich noch eine Spur besessener war.
Auf jeden Fall erfahrener und effektiver.
Und Menschen an meiner Seite hatte, für die ich durchs Feuer gegangen wäre und sie für mich.

3 Jahre nach ihrer Gründung habe ich Teile der Firma verkauft, sie in gute Hände übergeben und schied aus.

die Gegenwart

Heute bin ich an dem Punkt, von dem ich ganz am Anfang erzählt habe.
Ich bin in der glücklichen Situation, jeden Tag aufs Neue entscheiden zu können, was ich machen möchte. Zum Beispiel zu schreiben.
Oder faul zu sein und seinen Gedanken nachzuhängen. Und all das, was dabei passiert, aufs Papier zu bringen.
Viel zu reisen, viel zu sehen, viel zu erleben. Auch all das textlich zu verarbeiten.

Wer bis hier aufmerksam dabei war, hat spätestens jetzt erkannt, wenn es der Hochhaus-Junge mit seinem schlechten Realschulabschluss schafft, sein Lebens-Ziel zu erreichen, dann kann es jeder.
(Selbstverständlich nur, wenn er das Motto des Hochhaus-Jungen anwendet 🙂 …

Ich bin keineswegs der Meinung, dass dieser Lebensweg der allein selig machende ist.
Lebenswege und Lebensziele sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst.

Wer jedoch den Wunsch und das Ziel hat, sich früher als dem Rentenalter mit anderen Dingen als der Arbeit zu beschäftigen (wobei ich das nicht als Wertung verstanden haben will; ich bewundere Menschen, die noch im hohen Alter mit absoluter Leidenschaft ihrer Berufung nachgehen!), dem wollte ich hiermit einfach 2 Dinge vermitteln:
einerseits wenn Einer wie ich ohne besondere Voraussetzungen es schaffen kann, es jeder schaffen kann, und zum anderen, welche Eigenschaften aus meiner Sicht hierfür Voraussetzung sind.

Mein Wunsch

All Denen, die diesen Weg vor sich haben, wünsche ich dabei alles Gute und bestes Gelingen. Und vergesst dabei nie:
Natürlich, Netzwerk ist gut, Weiterbildung und Coaching sind unverzichtbar, Kontakte sind unerlässlich, aber das Allerwichtigste von Allem hast Du in Dir:
die Kraft, das zu erreichen!

Allein schon, dass Du daran denkst und dieses Ziel hast, beweist schon, dass Du die Kraft und die Fähigkeiten IN Dir hast, es zu erreichen.

Dafür, dass es Dir gelingt, sie abzurufen und für Dich in Richtung Erreichung Deines Lebenszieles umzumünzen, dafür drücke ich Dir ganz ganz fest die Daumen und wünsche Dir dafür alles Gute!!

März 2021

Titelbild: Photo by diedymus on instagram

© 2021 Dietmar Rinke
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Liebe Leser, das Jahr 2091 wird in die Geschichte eingehen.

Da bin ich mir sicher. Ich sitze im Emirates-Shuttle zum Mond. Erst heute wurde die Frequenz zwischen Dubai-City und Lunai-City auf zweimal täglich erhöht. Der Bedarf war sprunghaft angestiegen, nachdem Dubai die nicht verkauften Luxushäuser und Wohnungen seinen Angestellten und Mitarbeitern kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Es ist alles inklusive, sogar die Mitgliedschaft im größten Fitnesscenter des Mondes. Nein, ich habe leider keine Immobilie auf dem Mond erhalten.

Dieses Mal bin ich aufgeregt, wie nie zuvor, obwohl es nicht meine erste Dienstreise zum Mond ist. Wird mich der 1. Administrator empfangen und was noch viel wichtiger ist, wird er von meiner Idee begeistert sein?

Ich muss etwas ausholen, damit die Tragweite meiner Reise allen Lesern bewusst wird.

Rückblick

Die Welt hat sich in den letzten siebzig Jahren sehr verändert. Der immer noch andauernde Handelskrieg zwischen den USA und China hat die beiden ehemaligen Industrienationen an den Rand der Katastrophe gebracht. Dieses Machtvakuum nutzten Indien und die neu gegründete Afrikanische Union zu ihrem Vorteil. Die Welt ist neu aufgeteilt. Europa ist als Kolonie Afrikas nun das Armenhaus der Welt. Bewaffnete Konflikte, Hunger und Krankheiten lassen die Einwohner nicht zur Ruhe kommen. Flüchtling-Ströme in Richtung Osten sorgen für ein Ausbluten des Kontinents, während Indien weite Teile Asiens beherrscht. Nord- und Südamerika sind von Grönland aus in das dänische Königreich integriert worden. Die Vereinigten Arabischen Emirate verhalten sich neutral und sind darüber hinaus, führend in der Erschließung des Sonnensystems. Der Streit und Neid zwischen den Völkern haben immer noch nicht aufgehört.

Die überforderten Regierungen schüren weiter diese Zwistigkeiten, um von ihren Unfähigkeiten, die Probleme zu lösen, abzulenken. Aber es gibt auch Gutes zu berichten, wie zum Beispiel der gelebte globale Umweltschutz oder die Besiedelung des Mondes.

Foto: Lunai-City (privat)

Der Grundstein wurde 2020 gelegt, als die VAE ihre erste Mondmission startete. Inzwischen ist Lunai-City doppelt so groß wie Dubai-City. Die Bauwerke sind dank der geringen Schwerkraft auf dem Mond noch höher und futuristischer als auf der Erde. Die Architekten wollen alles auf der Erde jemals Gebaute in den Schatten stellen.

Lunai-City

Der 1.Administrator ist der älteste Sohn des Scheiches von Dubai. Er regiert die Stadt mit großer Umsicht und Gerechtigkeit. Seine zweite Leidenschaft nach dem Kamelrennen ist, was die wenigsten wissen, das Fußballspiel. Da werde ich ansetzen. Die letzte Fußball Großveranstaltung war die Weltmeisterschaft 2022 in Qatar. Danach gab es zwar viele weitere Versuche, eine Weltmeisterschaft erneut auszurichten, aber sie scheiterten immer am Geld, an den Gesundheitsvorschriften, an der Uneinigkeit der Länder sowie Verbände oder an allen dreien.

Die regen Bautätigkeiten und der erhöhte Verkehr im stellaren Raum waren bei den Nachbarn auf dem Mars und der Venus nicht unbemerkt geblieben. Bevor die Menschen, die sich seit Generationen gut versteckten Mars-Männchen aufspürten, entschlossen sie, selbst den ersten Kontakt herzustellen. Und ein halbes Jahr später, als die vermeintliche Katastrophe in den planetaren Beziehungen ausgeblieben war, meldeten sich die ausschließlich weiblichen Bewohnerinnen der Venus. Von diesen Schock hatten sich die Menschen nicht so schnell erholt. Auf einmal waren wir nicht mehr allein im Sonnensystem. Selbst auf dem Jupiter und dem Saturn gab es humanoides Leben.

Doch eine Sache wurde auf allen Planeten des Sonnensystems schnell zum Volkssport, der Fußball.

Wer hätte das gedacht!

Die Wundertechnik der Fußball-Arenen konnte zwar jede Atmosphäre und Gravitation der einzelnen Planeten nachempfinden, aber nicht miteinander mischen.

Deshalb hat jeder Himmelskörper nur seine eigenen Ligen. Keiner spielte gegen die anderen. Die Venus hat nur Frauen-Mannschaften. Es gibt zwar einzelne Gastspiele mit hohem Unterhaltungswert. (Wer schon mal die Riesen vom Jupiter hat spielen sehen, versteht, was ich meine.) Aber es gibt keine Sonnensystemliga oder Meisterschaft.

Die Idee

Und genau das will ich dem 1. Administrator schmackhaft machen. Die erste Sonnensystem–Meisterschaft im Jahre 2121. Ja, ich weiß, das ist noch lange hin, aber man bedenke die umfangreiche technische Vorbereitung und die Einigung auf ein allseits akzeptiertes Reglement. Zusätzlich kommen dann die vorbereitenden Spiele zur Qualifikation der sieben Mannschaften von jedem einzelnen Planeten dazu. Ich hatte mir sieben Mannschaften überlegt, wegen der Kontinente auf der Erde. So hat jeder Kontinent die Möglichkeit seine eigene Meisterschaft auszutragen, um die begehrten Plätze in der Solar Championship Football zu ergattern. Außerdem verspreche ich mir persönlich davon, dass die Welt im sportlichen Wettkampf um die Teilnahme an den Endspielen befriedet werden könnte.

Das absolute Highlight wird das gigantische Endspiel auf dem Mond in Lunai-City sein und die damalige Weltmeisterschaft in Qatar um ein Vielfaches an Glamour überflügeln.

Mein Chef ist von dieser Idee so begeistert, dass er mir sogar einen Flug in der First-Class gebucht hat. Das er die exklusiven Übertragungsrechte haben will, versteht sich von selbst.

Flug zum Mond

Der Flug zum Mond ist für mich immer noch spektakulär. Ich buche stets einen Fensterplatz, damit ich den Moment, wenn wir die Lufthülle verlassen, beobachten kann. Dann bin ich wie betäubt von der Schönheit unseres Planeten. Mitte des 20. Jahrhundert hatten wir ihn fast zerstört. Es waren die Kinder in dieser Epoche, welche nicht mehr tatenlos zusehen wollten, wie die Eltern die Erde misshandelten. Gerade noch rechtzeitig, denn es war damals allerhöchste Zeit.

Photo by WILLIAN REIS on Unsplash

Ich nutze die Phase des Fluges, mich auf das Gespräch vorzubereiten. Welche Fragen würde der 1. Administrator stellen? Welche Gegenargumente gilt es zu entkräften. Die Kosten würden keine Rolle spielen, da bin ich mir sicher. Eher gibt es technische Bedenken. Wie kann man ein faires Spiel der von Natur aus unterschiedlichen Körpergrößen garantieren Welche Atmosphäre und welche Gravitation Stärke wäre für alle Planeten akzeptabel?

Die Frage aber, die jeden bewegt: Wie kommt man auf so eine Idee?

Das ist schnell erzählt. Mein Freund Eugen und ich schauen oft zusammen im Pub Fußballspiele. Vor einem halben Jahr sahen wir ein Deutschland-Spiel im Nationencup. Die Mannschaften spielten so unterirdisch, dass ich mich zu folgender Aussage hinreißen ließ: selbst eine Regionalliga-Mannschaft auf dem Mars würde den letzten und aktuellen Weltmeister schlagen. Das wollte und konnte Eugen einfach nicht im Raum stehen lassen. So ist die Idee der Solar Championship Football entstanden.

Nächste Woche fliege ich zur Venus. Da gibt es noch viel zu tun, um die Kanzlerin von dem Projekt zu überzeugen.

Oktober 2020

Titelbild: Photo by Michael on Unsplash

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Die wahre Geschichte

In der zweijährigen Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann arbeitete ich bei drei verschiedenen Busreiseveranstaltern: Tommis Top Tours, Wolters Bustouristik und PTI Panoramica Touristik International. Letzterer wollte mich nach der Ausbildung nicht übernehmen, ich war seiner Meinung nach zu schlau für den Job.

So war meine erste Arbeitsstelle ein kleines Reisebüro in Groß Klein, einem Stadtteil von Rostock. Wir verkauften dort Pauschalreisen, Ferienhäuser, Busreisen und Fährtickets. Meine Idee, eigene Busreisen zu organisieren, unterstützte mein Chef von Tukan Reisen GmbH und so durfte ich einige Touren ausarbeiten. Leider war die Nachfrage gering und es fanden nur zwei Reisen im Oktober 1993 in die Rhön statt. Die Erste verlief ohne nennenswerte Komplikationen u. a. mit dem Besuch des Klosters auf dem 928 m hohen Kreuzberg. Von seinem Gipfel eröffnet sich der Rundblick weit in das fränkische Land, die Hessische Rhön, den Thüringer Wald und den Spessart. Von 1681 bis 1692 errichteten dort die Franziskaner die heutige Wallfahrtskirche zusammen mit einem Kloster und um 1731 eine Klosterbrauerei. In der Kirche soll sich ein Fingerknochen von Jesus oder einem anderen Heiligen befinden, kann mich nicht mehr so genau daran erinnern.

Die Busreisen

Wie gesagt, die erste Tour verlief ohne große Probleme. Eine Woche später hatten wir die gleiche Fahrt noch einmal. Bei der Anreise standen wir schon mal vier Stunden im Stau. Der Busfahrer kannte einen Schleichweg, der sich als Grenzweg der DDR herausstellte und so fuhren wir im Schritttempo über holprige Betonplatten endlose zwei Stunden durch den Wald, mit der Angst im Nacken vielleicht stecken zu bleiben oder eine liegen gebliebene Mine zur Detonation zu bringen. Zum Glück haben wir unser Hotel ohne weitere Zwischenfälle erreicht.

Die gemütliche Wanderung

Am zweiten Tag war laut Programm der Besuch des Klosters geplant. Es war schon weit nach Mittag und wir hatten von unserem Ausgangspunkt Ostheim an der Rhön die Anfahrt zum Kreuzberg erreicht. Bei der Raucher- und Würstchen – Pause entdeckten ein paar Gäste einen Pilgerpfad, nur sechs Kilometer bis zum Kloster.

Foto: Klosterkirche (privat)

Da dieser hier am Parkplatz sehr breit und befestigt war und nur leicht anstieg, ließ ich mich zu einer „gemütlichen Wanderung“ nach dem langen Sitzen während der Anfahrt überreden.

Noch schien die Sonne, aber der Himmel zog sich schon langsam zu.

Der Pilgerpfad wurde immer unwegsamer, enger und steiler, je näher wir in Richtung Gipfel kamen. Nach ca. zwei Stunden waren wir oben angekommen, um dann vor einem geschlossenen Klostertor zu stehen. Seit wann machen Klöster Betriebsferien???

Die Gäste waren richtig sauer und meine Entschuldigung, ich wäre vor einer Woche hier gewesen und da waren noch keine Ferien angekündigt, ließen sie nicht gelten. Zum Glück war die Klosterbrauerei geöffnet und ich habe den gesamten Bus zum Kaffee und Bier eingeladen.

Foto: Klosterbrauerei (privat)

Der Abstieg

Nun war es bereits später Nachmittag und es wurde langsam dunkel. Die Gäste weigerten sich, den steilen Abstieg des Pilgerpfades zurückzunehmen. Laut Aussage des Wirtes gäbe es einen weniger beschwerlichen Pfad zum Parkplatz. Also machten wir uns in der mittlerweile aufgekommenen Dunkelheit und bei Nebel auf dem Weg. Aber wir fanden nicht den richtigen Abzweig und so standen wir nach einer Stunde durch den Wald an einer Absperrung zu einem Funkturm, kein Weiterkommen hier! Also wieder zurück. Nach einer halben Stunde kreuzte unseren Weg eine Schleifspur. Hier hatten die Waldarbeiter Holz aus dem Wald geholt.

Aus meiner Erfahrung schleifen die Forstarbeiter immer die Bäume in Richtung Straße, wo es später abtransportiert werden kann. Also folgten wir dieser Spur bergab. Nun waren die ersten Ausfälle zu beklagen. Mit großen Überredungskünsten (eine ältere Dame wollte lieber hier und jetzt sterben, als weiter durch den Wald zu irren) und mit teilweiser Gewalt (ein Mann wollte mich schlagen, weil ich keine Pause zuließ), trieb ich die Meute den Berg runter. Nach zwei weiteren Stunden erreichten wir tatsächlich eine Straße. Es war stockfinster und absolut still, man konnte nicht erkennen, in welche Richtung es bergab oder bergauf ging.

Die richtige Entscheidung

Eine Entscheidung musste her und ich entschied mich für den rechten Weg, nach rechts. Nach zehn Minuten ging die Straße bergab, wir also liefen nicht zum Gipfel zurück. Gott sei Dank! Aber ob der Parkplatz vor oder hinter uns war, wusste ich immer noch nicht. Ich hatte die Hoffnung, wenn wir auf der Straße sind, dass vielleicht ein Auto kommt. Kam aber keines! Zum Glück hatten wir nach einer weiteren Stunde Marsch auf der Straße tatsächlich unseren Parkplatz erreicht. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich war. Erst mal eine Runde Getränke ausgegeben und ab in Richtung Hotel, wo es tatsächlich kein Essen mehr für uns gab. Die Küche hatte geschlossen. Aber es hatte sowieso niemand Hunger, so fertig waren alle.

Nach dem Duschen lag ich auf meinem Bett und bewunderte die Blasen an den Füßen. Es klopfte an der Tür …. Diesen Teil kennt Ihr ja schon. Ich konnte jedenfalls nicht mittanzen und war froh, wieder in meinem Zimmer angekommen zu sein, wo sich meine geschundenen Füße erholen konnten!

Hinterher haben alle über diese Tour gelacht. Nur mein Chef fand das gar nicht lustig. Er hat mir obendrein noch die Spesen eigenhändig in Rechnung gestellt!

Die Kunden sind später tatsächlich wieder gekommen und haben nach Reisen mit mir als Reiseleiter gefragt. Wer hätte das gedacht! Aber für mich war diese Tour die letzte gewesen. Unser Büro wurde geschlossen, mein Chef war bankrott.

Böse Zungen behaupten, es wäre meine Schuld, vor allem, weil ich später noch zwei weitere Pleiten meiner Arbeitgeber erleben durfte. Aktuell arbeite ich bei der TUI Deutschland, welche dank Staatshilfen weiterhin am Leben ist.

Ich schwöre, meine Schuld ist es nicht!

April 2021

Titelbild: Ingo M. Ebert (privat) – Kreuze und Funkturm auf dem Kreuzberg/Rhön

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

für meinen Opa Lothar (Trauerrede)

Hallo Opa, hast du kurz etwas Zeit?
Mir liegen paar Dinge auf dem Herzen, aber ich denke, ich wäre jetzt so weit.
Unser letztes richtiges Gespräch ist schon einige Zeit her,
deshalb fiel mir passende Worte zu finden wahrlich schwer.
Meine Worte zu dir sollen nämlich was ganz Besonderes sein
und hoffe, du wirst alles gut verstehen, auch wenn ich eventuell anfang zu weinˋ.
Das kleine Mädchen, das immer für deine Späße zu haben war, die in den letzten Jahren jede Chance nutzte, sie war wirklich so oft es ging da, du wusstest es vielleicht nur nicht.
Genau die steht nun hier und denkt an dich.
Und sie wusste, dass deine Erinnerungen an sie immer mehr verblassen,
aber ihren Opi Lothi hat sie nie aus ihren Gedanken gehen lassen.
Das kleine Mädchen, das sich aus allem ein Späßchen machte
und auf deine Kosten Oma Ute zur Weißglut brachte.
Weißt du es noch oder soll ich dir es noch einmal erzählen?
Denn du solltest fürs Abendessen in den Keller und zwei Einmachgläser Bohnen wählen.
Unten angekommen, war es eigentlich schon klar,
die Sicherheit, was genau du holen solltest, war nicht mehr da.
Und weil es mit dir so lustig war, konnte man sich einen Spaß erlauben,
als du fragtest, was wir hier unten wollen, ließ ich dich einfach was anderes glauben.
Ich musste mich vor Lachen zusammenreißen, die Oma fand es eigentlich recht schade,
sie schickte dich dann zurück mit dem Glas Marmelade.
Das kleine Mädchen, dass hinten im Auto mit ihrem Bruder zankt und deine Nerven strapaziert,
es hat zwar immer etwas gebraucht, aber irgendwann bist selbst du eskaliert.
Du warst derjenige, der immer auf Trab war und ihr die Welt zeigte,
na ja zumindest so weit, bis sich dann die Tankfüllung zu Ende neigte.
Unendlich viele Museen, manchmal total interessant, zuweilen waren wir nur am Klagen,
im Nachhinein muss ich einfach mal Danke sagen.
Du warst es, der dem kleinen Mädchen die Welt erklärte,
du warst ihr Entertainer, Chauffeur und Naturexperte.
Der Opi Lothi lies sich natürlich nicht lumpen,
spontan neue Tierarten in die Welt zu setzen, hat noch keiner für schlecht empfunden.
Denn mein Opa ließ öfter beim Spazieren gehen, einen fahren…
bis vor paar Jahren habe ich immer noch geglaubt, dass es Trompetenkäfer waren.

Foto: Lothar Ebert 30.09.2017 (privat)

Als Chauffeur warst du auch recht spitze, manchmal klemmte es ein wenig, aber du konntest nichts dafür,
lieber Opa,… das waren meine Finger in der Autotür.
Als Oma dann ging, habe ich die Zeit mit dir noch mehr genossen,
wenn Mama dich besuchen wollte, bin ich als erste mit ins Auto geschossen.
Weißt du noch? Das kleine Mädchen, das immer versucht hat, deine Gespräche zu verstehen?
Bis zum Schluss ist sie mitgekommen, um dich zu sehen.
Das kleine Mädchen, das im Garten alle deine Erdbeeren aß
und ab und an die markierten Wege im Gemüsebeet vergaß.
Ich besuche dich, du siehst mich an und ich weiß, du erkennst mich nicht,
„Hallo Opa, das kleine Mädchen bin ich“.
Ich bin jetzt fast erwachsen Opa und ich weiß, du hättest es gerne miterlebt,
aber ich bin mir sicher, dass es dir dort oben besser geht.
Ich weiß, du hast jetzt all deine Erinnerungen wieder und es geht dir Prima,
du hast sie eigentlich nie vergessen, deine Melina.
Du wusstest zwar am Ende nicht mehr, wer ich bin, aber ein Lächeln war immer für mich drin.
Danke, Opa für die schönen Momente in meinem Leben,
nur wenige schaffen es mit dem nötigsten so viel zu geben.
Mama und ich hielten dir zuletzt die Hände,
Auf Wiedersehen Opa, deine Reise hat nun ein Ende.
Grüß mir die Oma und leg ein gutes Wort für mich ein bei Gott und den guten Geistern,
ich würde nämlich gerne mein Abitur mit einem Einsers Schnitt meistern.
(Ich hoffe, du kannst da was machen!)
Jetzt hast du alles im Blick und darfst auf deine Lieben warten,
mach’s dir gemütlich oben im Himmelsgarten.
Dir zu ehren geht der letzte Ruf raus in Sachsenbrunn unserer City:
„Komm her, Kitty Kitty Kitty!“

Titelbild: Foto Privat

© 2021 Melina-Marie Jahnel März 2021
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk (Text) darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben werden.

Es klingelt an der Tür. Alle zucken zusammen. Die Katze flitzt wie ein Blitz ins Schlafzimmer unter das Bett. Sie weiß, wer gleich erscheint.

Einmal im Monat kommt Tante Hermine zu uns zum Kaffeetrinken. Davon kann sie kein Schneesturm, kein Wolkenbruch, keine Hitzewelle und schon gar nicht ein Lockdown abhalten. Meine Mutter hat wie immer den ganzen Vormittag mit Putzen und Backen zu gebracht. Selbst ich muss wenigsten einmal im Monat mein Zimmer aufräumen, Staubwischen und den Teppich absaugen.

Mama ruft aus der Küche: „Matthias, vergiss bloß nicht, deine Schmutzwäsche in den Korb zu stecken.“ Ich verdrehe die Augen, murmele „Ja,Ja.“ Und denke, als ob die blöde Kuh im Abstellraum meine Schmutzwäsche kontrollieren würde.

Tante Hermine ist schon immer pingelig gewesen, aber seit dem der Virus uns fest im Griff hat, dreht sie völlig am Rad. Obwohl alle Räume bereits Corona konform desinfiziert wurden und wir alle seit 10 Uhr morgens mit Mundschutz in der Wohnung rumlaufen, wird Tante Hermine, bevor sie sich an den Tisch setzt, alle relevanten Flächen mit ihren mitgebrachten Desinfektionstüchern sterilisieren. „Sicher ist sicher!“, sagt sie und reißt zusätzlich alle Fenster auf.

Dieses Wochenende jährt sich der verschärfte Kaffeeklatsch. Die Nerven liegen inzwischen blank. Am Anfang fanden wir es noch lustig, wenn sie vor dem Essen die Kuchengabel desinfizierte oder das Sitzkissen in der Mikrowelle 5 Minuten garen musste.

Vater öffnet die Wohnungstür.

Sie rauscht mit einem „Hallöchen!“ gleich durch ins Bad, Händewaschen. Ich versuche wie immer verzweifelt: „Darf ich…“ „Nein!“, unterbricht mich meine Mutter. „Mach bitte die Schlagsahne und vergiss nicht, die Maske über die Nase zu ziehen. Tante Hermine sieht alles!“

Widerwillig schlurfe ich in die Küche, wo es wie in einem Großlager für Desinfektionsmittel riecht.

Der Kaffee blubbert durch die Filtertüte. Wie ich diesen Filterkaffee hasse, Erdöl ist sicherlich schmackhafter. Wenigsten kämpft nun der Kaffeeduft gegen den Desinfektionsduft an. Ein Vorteil hat aber die Pandemie, ich bekomme jetzt kein Begrüßungsschmatzer mehr. Ich grinse vergnügt vor mich hin.

Inzwischen sitzt Tante Hermine am frisch desinfizierten Tisch und regt sich über die Zustände im Bus auf. Taxi fahren kommt nicht infrage, dafür ist sie zu geizig. Stolz erzählt sie, wie sie die leeren Sitzreihen vor, hinter und neben sich gegen den Pöbel verteidigt hat, obwohl der Bus am Samstagnachmittag brechend voll war.

Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie Tante Hermine mit dem Krückstock die verschreckten Menschen in Schach hält. Widerstand zwecklos!

Der Kaffee wird eingeschenkt, der Kuchen mit dem silbernen Tortenheber verteilt. Vater steht noch einmal auf. Er hat das Mineralwasser vergessen.

Tante Hermine zieht nun ein weiteres Desinfektionstuch aus der sterilen Verpackung und beginnt hektisch die Fläche vor sich wiederholt zu reinigen. Der strenge Geruch der Desinfektionslösung verdrängt nun endgültig den Hauch von frisch gebrühtem Bohnenkaffee und warmen Apfelkuchen.

Danach wischt sie zwischen unseren Tellern hin und her. Mutti hat die Kuchengabel hoch aufgerichtet in der Hand. Sie starrt die Tante an, als ob sie es noch immer nicht glauben kann, was sie gerade sah.

Die glänzend weiße Vase aus Meissner Porzellan mit den gelben und roten Tulpen schwankt gefährlich, als der Unterarm von Hermine das Grün streift.

Plötzlich aus dem Ellenbogengelenk heraus, wie wenn man eine lästige Fliege verscheuchen will, fliegt Mamas Arm zur rechten Seite. Und die Kuchengabel dringt mit einem schmatzenden Geräusch bis zum Anschlag in Tante Hermines linkes Auge ein. Ihre Wischbewegungen erstarrten in derselben Sekunde. Das rechte Auge klotzt auf das silberne Gabelende in der linken Gesichtshälfte. Der Oberkörper knallt ungebremst auf die Tischplatte. Die Blumenvase fällt um. Das Wasser vermischt sich mit dem hellroten Blut, welches aus der Augenhöhle strömt. Die Flüssigkeit schwappt über die Tischkante.

In diesem Moment tritt Vater vom Kühlschrank zurück an den Tisch. Die Flasche kaltes Mineralwasser entgleitet seiner Hand, zerschellt auf den Bodenfliesen.

Mutti erwacht aus ihrer Starre. Langsam dreht sie den Kopf zur Seite, betrachtet die tausend kleinen Glassplitter in der Lache auf dem Boden. Schüttelt vorwurfsvoll ihr Haupt: „Was für eine Schweinerei!“

März 2021

Titelbild: Photo by Lina Volkmann on Unsplash

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk (Text) darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Kleines Kaff, komischer Kauz, kahlköpfig. Kaffeebraunes Kapuzen-T-Shirt kleidet kümmerlichen Körper.

Konsumiert kleinbürgerliches Kabelfernsehen.

Kanzlerkandidat kopiert Komiker.

Kontraste, Kochshow, Kammermusik, Kadaver kreischen!

Küchenausstattung:

Küchenschrank, Kühlschrank, Kommode, Kaktus. Küchentisch kleinkariert, kurioses Kabuff!

Klammer Kontostand konstruiert katastrophale Küchenkrise.

Killt Kakerlaken, kleinere Kreaturen komplett.

Karl Krause klotzt Kochkanal: körniger Käse kontra Kalbsleberwurst

                                               Kochschinken kontra Kohlrabi

                                               Kesselgulasch kontra Karottensalat

                                               Kartoffelpüree kontra Kartoffelmus

                                                Kapitalismus kontra Kommunismus

Kühlschrank knackt, kaputt! Kräuterlikörduft kondensiert.

Kaffeepause:

Kornbrand, kalter Kaffee, knabbert Kohlblätter.

Kochstudio: Küchenchef kocht Kulinarisches. Kalbsteak kurzgebraten, Kapern kleinhacken, Kaviar kunstvoll krümeln, Kürbiskerne karamellisieren.

Kaut krachend Knäckebrot, Ketchup kleckert, Karl kichert kindisch.

Knackig, knusprig, kross, kompromisslos – Kulturgut Knäckebrot!

März 2021

Titelbild: Knäckebrot im Vergleich | NDR.de – Ratgeber – Verbraucher

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk (Text) darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Foto: Power-Knäckebrot (www.lecker.de)

Mein Tipp:

Power-Knäckebrot

Zutaten:
140 g  fettreduzierter Frischkäse (0,2 % Fett) 
Salz + Pfeffer
1 Bund  Radieschen  
8 Scheiben (à ca. 17 g) Vollkorn Knäckebrot
160 g  gekochter Schinken
1  Beet Gartenkresse
4 EL  Radieschensprossen 

Zubereitung:

Frischkäse glattrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. Radieschen waschen, putzen und in dünne Scheiben hobeln. Knäckebrote jeweils mit 1 TL Frischkäse bestreichen. Radieschenscheiben und Schinken darauf verteilen. Kresse vom Beet schneiden. Brote anrichten. Mit Kresse und Sprossen bestreuen.

Fertig und genießen!

Quelle: Power-Knäckebrot Rezept | LECKER

für Mutter

Unbeholfen stehe ich an Deinem Bett in diesem Heim,
man hat mich gerufen, es gehe Dir schlecht.
Niemand, der diese Routinen hier checkt,
weist mich ein.
Es ist spät, ich landete in der Nacht, kam hierher,
wo Du seit Jahren lebst, mit dem Taxi, diesen Weg zu diesem Ort,
ich kenn ihn nicht mehr,
zu lange schon fort.
Der Ort, wo nun Dein Leben verrinnt,
die Stätte, wo auch meine Wurzeln sind,
ist mir heute fremd.
Alles das spielt keine Rolle, ich bin da, wenn auch spät
und auch wenn es in mir brennt,
verdräng ich die Erkenntnis, dass ich mich nicht zurechtfand,
dort, wo am Stadtrand
Dein Leben stattfand,
ich mich im Kreis
drehte, dort, wo Du Deinen Alltag verbrachtest in all den Jahren,
über die ich wenig weiß.

Du, die stolze Frau, die Du liegst, vor mir, hier,
hilflos mit deinem Blick zu mir,
du liegst da,
an nur eine Windel, aber doch so reich,
ein erfülltes Leben, dieses Bild wird mir klar,
als ich dir über deine dünn geword‘nen Haare streich‘.
Früher gabst Du, heute lebst du vom Nehmen,
von Themen,
die zu dir führ‘n und dich berühr’n.
Ich bin kein Meister von Gesten und Zeichen
aber gebe mein Bestes, dass Dich meine erreichen.

Ich weiß nicht, ob Du mich hörst, ich weiß nicht, ob Du mich verstehst
und ich weiß nicht wohin Du gehst.
Der Geist von früher ist noch immer hier, er vertritt dich in Momenten,
in denen es Dir nicht mehr möglich ist,
in denen Du vieles vergisst
und in Fragmenten
sprichst.

Dir verdanke ich meine Existenz,
du schenktest sie mir,
es fällt mir schwer, hier neben dem Bett von Dir
in Deiner Präsenz
diese Kraft und Stärke zu erkennen, doch zuvor
war sie da und sie brachte mich hervor.
Heute schaue ich in dein fahles Gesicht, einen Spiegel ohne Antworten,
und es spricht von Deinem heutigen Sein an fernen Orten
Ich erkenne daran wie das Leben sich dreht,
wie die Stärke vergeht, während Größe besteht,
wie Blöße entsteht, wenn der Wind der Vergänglichkeit weht.
Das ist das, was mich bewegt,
während ich dir Essen gebe
und dich anders rum lege,
damit es dir etwas besser geht.

Von Dir kaum eine Regung,
und ich spüre, dies ist unsere letzte Begegnung.
Geheiligt und für immer in mein Herz gemeißelt sei dieser Moment,
vehement
für alle Zeit in mir verewigt,
eingefangen in einen Hauch, der Unendlichkeit predigt,
und von dem ich grad spür, dass genau er als Protagonist
der Ursprung allen Lebens ist.
Die Intensität dieses Moments ist derart stark,
dass ich für immer in mir das Wissen trag,
ich mir jederzeit alles von ihm ins Bewusstsein zu rufen vermag,
alles dieses Moments, Du, Deine Blicke, Dein Geruch, dieser Raum, dein verschmähtes Getränk,
das Buch neben Dir, mein nicht beachtetes Geschenk,
meine Fußspuren in Deinem Zimmer,
alles davon ist in mir für immer.

Während sich all dies in mein Innerstes bohrte,
schließe ich Dich in dem Bewusstsein des letzten Males in meine Arme, halte Dich fest und sage Dir magische Worte.
Als du sie wiederholst, obwohl eher mechanisch als authentisch,
und eher allgemein
und in Dich hinein
schlägt es in mir ein.
Mich überkommen Unmengen von Empfindungen und auch wenn ich fühle
dass ich Dich mit meinen Emotionen aufwühle,
kann ich sie nicht überbrücken,
geschweige denn unterdrücken,
nichts von Beidem will mir glücken
und so fließen in großen Stücken
vorbei an Deinem Schopf
Unmengen plötzlicher Tränen in das Kissen unter Deinem Kopf.

Du liegst starr da, ob Du all das wahrnimmst, was in mir brennt
und nach außen drängt,
ich weiß es nicht, und wenn, dann nur latent
und für diesen Moment;
es scheint, diese Nähe ist Dir fremd,
denn Du wirkst gehemmt,
während Tropfen um Tropfen in Dein Kissen rennt.

Du gabst einst mich frei, als ich nicht blieb,
heute tue ich es, und so darfst Du jetzt, wo Dein Stern verglüht
und Deine Quelle versiegt,
dorthin gehen wohin es dich zieht.

In dem Wissen, dass ich Dich verlier,
steh ich Dir
auf Deinem Weg in Dein künftiges Revier
Spalier.
Gute Reise und denk an mich,
vergiss mich nicht,
denn ich komm von Dir,
durch Dich bin ich hier,
dafür dank ich Dir.

Unsere letzten gemeinsamen magischen Worte, die nehm‘ ich mit,
ich hab‘ sie in meinem Innersten fest etabliert,
sie in mein Herz tätowiert,
alles von uns Gesagte genaustens zitiert
dort eingraviert.
Als wir sie sprachen, wir Beide uns nah,
da kam die Sintflut, ein Überkommen von Gefühlen sogar
und es war
als gebar
die Magie eine Dankbarkeit für einen erhabenen Moment,
von dem wir Beide wussten, dass er unser letzter war.

Zusammenkommen ist so einfach und loslassen so schwer,
aber vielleicht wird es nicht so leer
wie es zunächst erscheint
und unsere Wege trennen sich zwar, aber wir bleiben vereint.
Verlassen werden macht einsam,
doch Gehen und Gehen lassen ist gemeinsam.

Photo by Jan Ranft on Unsplash

Was uns bewegte, haben wir uns mitgegeben
viel Magie lag in der Luft
So ist es gut und ein jeder kann gehen.
Ich zurück ins Leben und du dahin wohin es dich ruft.

Wir sind klar, wir sind im reinen,
nicht groß nach Worten gesucht
und keine Aufarbeitungen versucht,
das ist ohnehin ohne Belang
und nicht das, wonach am Ende das Leben ruft.
Es ist der Friede, es ist der Gleichklang,
es ist Yin und es ist Yang,
es ist die Botschaft der Liebe und das Gefühl, das besteht
wenn ein Leben geht.
Gesprochen war es wenig, aber gefühlt so viel, und noch mehr entfacht.
Letztendlich haben diese Worte all das auf den Punkt gebracht
was wie ein Gebet
unterm Bruchstrich unseres gemeinsamen Lebens steht.
Das war uns vergönnt, und ich weiß es zu schätzen,
ich fühle mich ausgesprochen und spüre den Hauch
der Reinheit und der Freiheit nach unseren Sätzen
und ich wünsche mir, du tust es auch.

Bilder von früher, wie aus einer anderen Zeit;
wie viele Facetten des Lebens wir doch hatten,
die wir sehen, wenn wir das Buch unseres Lebens aufklappen,
an die ich in Ergriffenheit
zurückdenke, Momente der Verbundenheit und Geborgenheit,
scheinbar eine Ewigkeit
weit
entfernt, Augenblicke zu zweit,
die mich mit Dankbarkeit
erfüllen, und so schön es war sie zu erfahren,
für mich per heute zu wenig waren.
Früher normal und Alltag, heute nicht mehr als eine Illusion
und in der Zukunft nichts weiter als eine Reflexion.
So geht es jetzt Dir, so geht es mal uns,
wir gehen und was bleibt ist eine Inspiration,
ein Vermächtnis,
das all die empfangen,
die bereit sind, das wahre Erbe in ihrem Gedächtnis
zu erlangen.

März 2021

Titelbild : Dietmar Rinke

© 2020 Dietmar Rinke
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Siehe dazu auch: Dietmar Rinke (@diedymus) • Instagram-Fotos und -Videos

ein kleiner politischer Diskurs

Es klingelt an der Wohnungstür. Wer zum Teufel wagt es meinen wohl verdienten Feierabend zu stören?

Ich reiße die Tür auf. Mein junger Nachbar steht in voller Guerilla-Montur davor und schaut mich fragend an. „Haste Eier?“

Ha, denke ich, er will mal wieder provozieren. Er ist ein Greenpeace-Aktivist, keine Umweltdemo oder – Aktionen ohne ihn. Wir hatten schon so manche hitzige Diskussion im Hausflur oder am Müllcontainer. Doch nun versucht er meine letzte Bastion, meinen Rückzugsort, meine Wohnung zu stürmen.

„Respekt“, sage ich, „komm rein.“ Drehe mich um und gehe voraus ins Wohnzimmer. Er folgt mir nun unsicher. Meine Reaktion hatte er sichtlich nicht erwartet.

In meiner Wohnung bestimme ich die Themen und lege sofort los: „Die Globalisierung und ihre Auswirkungen auf die Bauern, ob Großbauer oder Öko-Landwirt sind unbestritten. Ob die gesetzlichen Vorgaben am Schreibtisch in Berlin völlig weltfremd und realitätsfern getroffen dazu beitragen, die verfahrene Situation zu entschärfen, bezweifele ich.“

„Hm.“

Es folgen ein vierstündiger Monolog, ohne eine Unterbrechung zu zulassen, über die Jäger und Sammler, der Ackerbau im Feudalismus, den Dreißigjährigen Krieg, die Industrialisierung der Landwirtschaft Anfang des 19. Jahrhunderts, die Großtierhaltung in heutiger Zeit, die fleischverarbeitende Industrie, den CO2-Ausstoß, Vegetarier und Veganer, über die Discounter und das Konsumverhalten der Endverbraucher.

„Aber ich werde nie und nimmer auf mein Fleisch auf dem Grill verzichten. Da kannst du noch so oft mit mir diskutieren, wie du möchtest.“, beende ich von mir selbst beeindruckt meine Rede. So schnell wird er mich nicht mehr belästigen. Punktsieg für mich!

Photo by Myriam Zilles on Unsplash

„Ähm, auch wenn ich nicht mit allen Punkten mit dir übereinstimme, können wir das für heute unterbrechen? Ich bin ziemlich fertig, komme gerade aus Berlin, mein Kühlschrank ist leer, habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Haste ein paar Eier?“

Februar 2021

Titelbild: Photo by Markus Spiske on Unsplash

© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.