Das harte Leben eines Radfahrers

Das harte Leben eines Radfahrers

Endlich Frühling! Bis vor Kurzem hatte der Winter die Radwege fest im Griff. Die Radwege waren die Verlierer dieses Winters im Wettkampf der Räumfahrzeuge und der Schneeschieber-Brigaden von Gehwegreinigung und Hausbesitzer. Die Folge: ein Faltengebirge in Höhe der Voralpen mit Gletschern auf den Radwegen. Da konnte der unerbittliche Winterradfahrer nur auf die Straße ausweichen und dort schlitternd die Autofahrer ärgern, welche den Rest des Jahres sonst nie auf die Radfahrer achten. Da wurde mit aufgestauter Wut zurückgezahlt, was der leidgeprüfte Radfahrer die letzte Saison erdulden musste, wie zum Beispiel die zugeparkten Radwege, die Nichtbeachtung der Vorfahrten und das Ausbremsen durch die Rechtsabbieger.

Foto: privat

am Morgen

Dabei hat es der Radfahrer an sich schon schwer genug! Es beginnt bereits am Morgen! Der Radfahrer muss mindestens 1 Stunde früher aufstehen, als jeder andere Verkehrsteilnehmer. Die doppelt so lange Fahrzeit mal nicht mit eingerechnet! Erst muss sich der Radfahrer den Schlaf aus den Augen reiben, denn nur 100 %-ig munter kann man den tödlichen Gefahren auf dem Weg zur Arbeit trotzen und gegebenenfalls mit einer Stuntrolle den nicht zu vermeidenden Sturz abfangen. Nach dem Fitnessfrühstück heißt es, sich in die hautengen Spezialhosen aus 100 % wasser- und winddichtem Material zu zwängen. Profis schwören auf vorheriges Einölen mit Baby-Öl, das flutscht dann besser! Das Gleiche gilt natürlich auch für das knallgelbe Rennfahrertrikot mit Formaggio-Capellini-Werbung und lang gezogenem Rückenteil mit drei Taschen. Weniger sportliche und Gelegenheitsradler werfen sich nur den Regenponcho über, welcher aber einen 1000x höheren Windwiderstand und dafür nur ein halb so großes Sichtfeld auf die Straße bietet. Dann stapft man wie ein Ritter in voller Rüstung zum „Drahtesel“ um dort festzustellen, dass das Hinterrad wieder mal zu wenig oder gar keine Luft mehr hat!

Nach 10 Minuten und 2 Liter Schweiß später folgt dann die Erkenntnis, dass der Reifen von einer Glasscherbe auf dem Radweg sabotiert wurde. Gut, dass der erfahrene Radfahrer immer eine Werkzeugtasche und einen Ersatzschlauch am Mann hat! Weitere 15 Minuten später ist das Rad geflickt. Mit kettenfettverschmierten Händen wird die Tasche auf dem Gepäckträger geschnallt, der Fahrradhelm in die Ecke geschmissen und überstürzt vom Hof gefahren, um dort erst mal mit dem Kinderwagen der Nachbarin, dem Postwagen vom Briefträger oder einem Zustellwagen der „praktiker“ – Werbung zu kollidieren. Fluchend die große Beule am Kopf reibend, geht es nun endlich verspätet los in Richtung Arbeitsplatz. Dabei, wie bereits oben erwähnt, den Autos, Mülltonnen und Schulkindern auf dem Radweg ausweichend. Immer den Lenker fest im Griff, damit man bei den Löchern von ½ m in Durchmesser und Tiefe nicht vom Rad geschüttelt wird. 5 Minuten nach Arbeitsbeginn erreicht man seine Arbeit, wo man erst mal, je nach Beruf, duschen und die Sachen wechseln muss. Was tut man nicht alles für die Umwelt!

nach Hause

Nach 8 Stunden Arbeit haben sich die schmerzenden Waden und Gesäßmuskeln regeneriert und man freut sich auf den Nachhauseweg. Endlich frische Luft und stürmischer Gegenwind sowie ein zur Abwechslung mal blauer Himmel. Zack, schon hat man die erste Fliege im bebrillten Auge! Es ist schon ein Wunder, wie die das auch immer wieder schaffen, am Brillenglas vorbei direkt ins rechte Auge! Auch andere Tiere sind bei einer Kollision nicht ganz ohne! Dabei gilt, je größer das Tier, desto größer das „Aua“! Zum Glück sind Elefanten in Deutschland eher die Ausnahme. Aus eigener Erfahrung möchte ich ausdrücklich alle Radfahrer vor tief fliegenden Schwänen warnen! Geht auch schlecht von der Brille ab!

Foto: privat

Mit tränendem Auge und den Auto Smog inhalierend, kämpft sich der Radfahrer die letzte Anhöhe hinauf. Wieso fährt man eigentlich immer nach Hause berghoch und hat Gegenwind??? Und wo ist der blaue Himmel geblieben??? Egal, man ist sowieso schon nass! Er erreicht den Hof mit Müh und Not, fällt vom Rad und ist ….nein, endlich zu Hause! Wieder duschen, die Sachen in die Waschmaschine, anschließend in den Trockner und die schmerzenden Glieder mit einer Rheumasalbe einschmieren! Voller Stolz mal wieder was für die Umwelt und für die Gesundheit getan zu haben, sinkt man auf das Sofa nieder und trinkt ein Hefeweizen (isotonisches Fitnessgetränk)! Nach einem solchen harten Tag ist es auch nicht verwunderlich, dass man zu Hause nun nix mehr tun kann und sich erst mal erholen muss! Das m u s s die Familie verstehen! Und beim Einschlafen träumt man von einem Mofa oder einer Umweltkarte für den Bus!

Foto: privat

Ostern 2010

© 2020 Ingo M. Ebert Titelbild: Foto (privat)
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