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Nie wieder Frankfurt am Main

Die zweite Reise nach Westdeutschland nach der Grenzöffnung führte mich 1990 nach Frankfurt am Main. Ich war gerade frisch arbeitslos, als mir eine Anzeige im Rostocker Blitz auffiel.

Betreuer für Spiel- und Warenautomaten deutschlandweit gesucht. Rostock wurde in dieser Nachwendezeit nahezu von Sex-Shops, Spielautomaten, Baumärkten, Autohäusern und Drogerieketten überflutet. Eben alles, was es seit Ende des 2. Weltkriegs im Osten nicht mehr gab. Der Bedarf an solchen Sachen schien unersättlich und es wurden fähige Mitarbeiter gesucht. Arbeitskräfte waren nach der Schließung der volkseigenen Betriebe und Werften im Osten an und für sich ausreichend vorhanden. Dennoch wagte ich einen Versuch und bewarb mich auf diese seriös wirkende Anzeige.


KEMPINSKI HOTEL FRANKFURT GRAVENBRUCH

Tatsächlich wurde ich zwei Wochen später zu einem Vorstellungsgespräch nach Frankfurt am Main eingeladen. Dieses Gespräch sollte im Kempinski Hotel Frankfurt Gravenbruch stattfinden. Ich kaufte mir ein neues Hemd und bereitete mich sehr konzentriert darauf vor, denn ich fühlte mich als junger Vater für meine Familie verantwortlich. Nichts sollte schief gehen.

Aufgeregt fuhr ich Ende November mit dem Zug nach Frankfurt (Main) Hbf. Am frühen Nachmittag kam ich etwas müde an. Hoch motiviert fuhr ich mit der S-Bahn sofort weiter. Im Hotel angekommen war noch etwas Zeit bis zum Termin. Ich hatte bisher nichts Richtiges gegessen und suchte deshalb das Restaurant auf. Nach einem kurzen Blick in die Speisekarte wurde mir schnell klar, hier speist die Upperclass.

Quelle: Luxuriöses 5 Sterne Hotel in Neu-Isenburg, Frankfurt | Kempinski Hotel Frankfurt

Meine Finanzen waren beschränkt, so bestellte ich aus der Kategorie Vorspeisen einen Feldsalat. Ich sah vor meinem geistigen Auge eine große Schüssel mit leckerem Salat. Wenig später servierte mir der Kellner dann einen kleinen Teller mit einer einzigen Feldsalatpflanze. Sie war dramatisch dekoriert mit zwei winzigen roten Zwiebelringlein und einem Hauch Öl. Dazu gab es eine Scheibe Baguette. Geschockt fragte ich mich, ob ich gerade ein Opfer von der versteckten Kamera geworden war. Aber es kam kein Moderator um die Ecke, um mich abzuholen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so langsam und millimeterweise ein einziges Salatblatt gegessen. Dass ich dafür einen zweistelligen DM-Betrag zahlen durfte, möchte ich nur kurz am Rande erwähnen.

Beim Herausgehen stahl ich heimlich ein Stück Baguette vom Buffet. Das war mir so was von peinlich, aber ich wollte nicht mit knurrendem Magen im Gespräch sitzen.

ein neuer Job?

Das Vorstellungsgespräch verlief anders als erwartet. Es war ein riesiger Andrang vor dem gemieteten Seminarraum. Im zwanzig Minuten-Takt wurden jeweils 3 Personen in den Raum gerufen. Das kam mir schon komisch vor. Dann war ich dran. Man legte uns dreien einen Vertrag über den Kauf von Glücksspielautomaten für Uhren vor und drängte auf eine Unterschrift. Wir hatten die Wahl zwischen vier, sechs oder acht. Der feine Herr meinte, die Profis nehmen zehn, das würde sich mehr rechnen. Ich fragte mich, für wen? Ein einzelner Automat kostete komplett, also mit Uhren, rund eintausend Deutsche Mark. Das war sehr viel Geld für einen Arbeitslosen.

Der Spielautomat hatte oben einen sechzig Zentimeter hohen, kastenförmigen durchsichtigen Aufsatz mit verschiedenen Armbanduhren, aller Farben und Formen, mit Leder- oder Metallarmband als Gewinn. Der untere kleinere Teil war aus Metall, versehen mit einem Münzschlitz, einem Drehknopf und einem Ausgabeloch. Im Inneren befanden sich kleine Loskugeln und die Geldkassette, so ähnlich wie bei Kaugummi-Automaten vor Schulen.

Wir sollten diese Geräte eigenverantwortlich in Gaststätten, Kneipen und Klubs aufstellen lassen. Der Gast konnte dann für fünf Deutsche Mark eine Los Kugel ziehen. Der Gewinn war schließlich eine der billigen Armbanduhren aus dem Kasten. Der Nachschub für die Automaten, Lose und Uhren durfte ausschließlich bei der Firma bestellt werden. In Vorkasse versteht sich! Diebstahl oder Beschädigung wäre unser Problem.

Ich fragte nach: Es würden laut Anzeige Betreuer gesucht und keine Käufer? An die Antwort kann ich mich nicht mehr erinnern, nur das ich auf einmal ganz schnell vor der Tür stand. Großartig gelaufen dachte ich noch, aber immerhin war ich so clever und hatte keinen Knebelvertrag unterschrieben. Die Enttäuschung, ohne Arbeit nach Hause zu kommen, schmerzte sehr.

Bahnhofsviertel

Mein Zug sollte um 22:00 Uhr als Nachtzug zurück nach Rostock gehen. Ich brauchte etwas Ablenkung. Deshalb nutzte ich die Zeit, um mir die Sehenswürdigkeiten Frankfurts rund um den Hauptbahnhof anzusehen. Für einen kleinen Imbiss lag noch etwas Geld in meinem Portemonnaie. Also lief ich einfach drauf los.

Weit kam ich nicht, denn zwei nette Mädels sprachen mich an: „Na junger Mann, Lust auf ein Bier? Kostet auch nur drei Mark fünfzig.“ Freundlich wie ich bin und immer bemüht, auf Reisen den Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu suchen, um die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen zu studieren, willigte ich ein. Die Damen begleiteten mich in eine spärlich beleuchtete Räumlichkeit. Es war kein weiterer Gast im stark abgedunkelten Raum. Sofort war eine gut aussehende Kellnerin da und stellte mir ungefragt das Bier auf den Tisch. Die beiden anderen Hübschen säuselten: „Dürfen wir auch was trinken?“ Das kam mir zwar komisch vor, aber ich antwortete: „Sicher dürft ihr was trinken, wo soll da das Problem sein.“ Schwups standen zwei Schnapsgläser auf dem Tisch. Im selben Augenblick wurde mir die Rechnung präsentiert. Ich hatte bis dahin noch keinen einzigen Schluck von dem Bier genommen, so schnell ging das alles. „Sofort zahlen!“, kam die klare und bestimmte Ansage. Ich konnte im Dunkeln keinen Betrag erkennen. Mit einer Taschenlampe wurde mir erst ins Gesicht und dann auf die Rechnung geleuchtet. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Da stand als Gesamtsumme: 223,50 DM.

„Das kann nicht sein“, sage ich „erstens kostet das Bier nur drei fünfzig und für die Damen hatte ich nichts bestellt, schon gar nicht im Wert von hundertzehn Mark pro Getränk.“

Die Beträge der beiden Schnäpse wären klar und deutlich auf der Getränkekarte ausgezeichnet, kam die Antwort zurück. Gleich darauf verschwanden die drei Mädels und ich nutzte die Gelegenheit, einen Blick auf das am anderen Tischende versteckte Blatt Papier zu werfen. Da stand tatsächlich Bier: 3,50 DM, klarer Schnaps: 110,00 DM und es ging hinauf bis zu einer Flasche Champagner für 4000,00 DM. Wie ich noch so dachte, gut, dass die beiden keinen Schampus trinken wollten, traten zwei große kräftige Männer an den Tisch. „Du nicht zahlen willst?“, wurde ich mit slawischem Akzent angefahren.

„Zahlen will ich schon“, antwortete ich mit trockenem Hals „aber, ich habe nicht so viel Geld.“

Ich hatte immer noch keinen Schluck von dem teuren Bier getrunken. „Wie viel du hast?“ „Kann ich nicht sagen, weniger als einhundert Mark.“ „Zeig her und Lederjacke ausziehen.“, kam der Befehl, welcher keinen Widerstand duldete. Ich gab meine Brieftasche und Lederjacke ab und verabschiedete mich schon gedanklich von ihnen. Beide Sachen wurden sorgfältig durchsucht und alles bis auf den letzten Pfennig eingezogen. „Verschwinde, bevor anders überlegen!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Beim Herausgehen wurden mir meine Jacke und die leere Geldbörse hinterhergeworfen.

Nacht in Frankfurt am Main (Foto von Justus Menke auf Unsplash)

Drogen?

Draußen war es nun dunkel geworden. Mein Bedarf an Sightseeing sank auf einen Nullwert. Durstig, hungrig und völlig verstört, schlich ich zurück zum Hauptbahnhof. Was für ein bescheidener Tag. Auf einmal quatscht mich auf der Straße ein junger Mann an: „Hey Du.“ „Wer ich?“ „Pst, nicht so laut.“ Leiser: „Wer ich?“ „Ja, Du! Brauchst Du was?“ Ich schaute ihn irritiert an: „Was soll ich brauchen?“, zweifelnd, dass er mir Geld oder Essen und Trinken anbieten wollte. „Na, was zum Rauchen, Koksen oder zum Spritzen.“, dabei schaute er sich nach allen Seiten nervös um. Mir blieb der Mund offenstehen. Wo war ich hier nur gelandet? Während ich immer noch blöd guckte und nach einer schlagfertigen Antwort suchte, hörte ich Polizeisirenen und Blaulicht zuckte durch die Nacht. Die Straße hinter und vor mir wurde von mehreren Polizeiwagen hermetisch abgeriegelt.

„Scheiß Bullen“ fluchte der Typ und zack weg war er, wie vom Erdboden verschluckt.

Das hatte mir gerade noch gefehlt. Anscheinend sah ich verdächtig aus. So kam es, dass ich zum zweiten Mal an diesem Tag meine Jacke und zusätzlich meine Hosentaschen durchsuchen lassen durfte. Die Beamten fanden eine einzige Deutsche Mark, sonst Garnichts. Enttäuscht ließen sich mich gehen. Ich schlurfte weiter in Richtung Hauptbahnhof. Für mich war ein Wunder geschehen. Ich hatte meine Bahnfahrkarte noch und eine Münze, von der ich bis dahin nichts wusste. Somit konnte ich mir wenigstens am Automaten einen Kaffee für die Heimreise ziehen.

Hauptbahnhof Frankfurt am Main (Foto von Maksym Kaharlytskyi auf Unsplash)

Nichts ahnend, dass mir das Highlight des Abends noch bevorstand, betrat ich das Bahnhofsgebäude. Ich schaute mich suchend um. Wo waren hier die Kaffeeautomaten? Ah, dort. Ich wollte gerade losgehen, als mich ein harmlos wirkender Mann mittleren Alters unvermittelt ansprach. „Kannst Du wechseln?“ In seiner Hand liegen zwei Münzen, Fünfziger. Warum nicht, dachte ich, dem Automaten war es egal, ob eine oder zwei Geldstücke eingeworfen werden. Also gab ich ihm meine letzte Mark. „Vielen Dank“, die Hand schloss sich und der Typ drehte sich um und ging davon. Ich war geschockt und zu keiner Reaktion mehr fähig. Warum musste ausgerechnet mir so etwas passieren?

Als der Zug endlich den Bahnsteig verließ, schwor ich bei allen, was mir lieb und heilig war: In diese Stadt werde ich nie wieder einen Fuß setzen.

Ende Oktober 1990

Titelbild : Foto von Jan-Philipp Thiele auf Unsplash

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

von Maria Becker

Plauderabend

Auf unseren monatlichen Plauderabend freute ich mich diesmal ganz besonders, weil ich auf die Hilfe der anderen Frauen hoffte. Deshalb fiel ich auch gleich mit der Tür ins Haus, bevor irgendein anderes Thema angesprochen wurde.

„Erzählt mir mal ein Highlight aus eurem Leben“, forderte ich die an­deren auf, während ich mal wieder viel zu viel Zucker in meinen Tee rührte.

„Warum?“, fragte Ingrid.

„Ich bin doch in der Schreibgruppe der Volkshochschule“, antwortete ich. „Diesmal sollen wir einen Text zum Stichwort ‚Highlight‘ verfas­sen und da hatte ich die Idee eure Erlebnisse aufzuschreiben.“

Als mein Blick auf Hannelore fiel, die mit traumverlorenem Blick vor sich hinlächelte, dachte ich: Oh nein, bitte erzähl DU nicht von deinen Highlights.

Ich weiß, es ist nicht schön so etwas zu sagen, aber Hannelore ist ein­fach nur trutschig. Sie kleidet sich so bieder wie meine Oma vor fünfzig Jahren, trägt zu Hause tatsächlich eine Kittelschürze und hat sich ihre weißen Haare zu einer blau schimmernden Dauerwelle legen lassen. So, wie es in meiner Kindheit für ältere Frauen Mode war. Keine sechzig­jährige Frau muss im einundzwanzigsten Jahrhundert noch so haus­backen rumlaufen. Ihr Mann Thomas ist genauso bieder wie sie, trägt Cordhosen und Flanellhemden, blüht erst dann so richtig auf, wenn er den letzten erworbenen Gartenzwerg präsentieren und endlos über die Pflege des Staudenselleries reden kann.

Dagegen blüht Hannelore auf, wenn sie endlos über ihre schon längst erwachsenen Kinder reden und die Heiligkeit der Mutterrolle preisen kann. Deshalb wusste ich genau an welches Highlight sie gerade mit seligem Lächeln dachte. Ich wollte aber keinen Text vorlesen, in dem es um Geburtswehen und geplatzte Fruchtblasen ging. Auch wollte ich nicht über Michaels ersten selbständigen Gang zum Töpfchen oder über Susannes ersten Zahn erzählen.

Als ich sah wie Hannelore sich im Sessel zurücklehnte und Luft holte, wusste ich, dass ich jedoch genau dies tun würde, wenn nicht eine von den beiden anderen sofort mit ihrem Highlight um die Ecke kam.

Mein Highlight

Es war zu spät. „Mein Highlight“, sagte Hannelore, während auf ihrem Gesicht immer noch das selige Lächeln lag, „war, als ich mit Günther Sex auf der Autobahnbrücke hatte.“

Mein Gehirn war so sehr auf den ersten Töpfchengang von Michael fixiert, dass ich noch sekundenlang den tatsächlichen Satz nicht reali­sierte, obwohl ich ihn gehört hatte. Den anderen ging es wohl wie mir, auch sie hielten noch eine Weile ihre desinteressierten Mienen bei. Dann machte es Klick und wir drei starrten Hannelore an.

„Du hattest Sex auf der Autobahnbrücke?“, fragte Claudia.

„Ja“, antwortete Hannelore in einem Ton, als wäre Sex auf der Auto­bahnbrücke so selbstverständlich wie der wöchentliche Einkauf.

„Moment mal“, sagte Ingrid. „Sex mit Günther? Ich dachte, dein Thomas wäre dein erster Mann gewesen.“

„War er auch“, sagte Hannelore.

„Du hast nach deiner Hochzeit mit einem anderen Mann geschlafen?“, fragte Claudia fassungslos.

„Ja“, antwortete Hannelore.

„Du hast deinen Mann betrogen?“, fragte Ingrid.

„Nein“, sagte Hannelore.

„Herrgott nochmal“, platzte es aus mir heraus. „Über das dämliche Töpfchen redest du wie ein Wasserfall und bei einer wirklich interes­santen Geschichte lässt du dir jedes Wort aus der Nase ziehen.“

Hannelore schaute mich unter ihren blauen Löckchen waidwund an und ihre Lippen zitterten.

„Tut mir leid“, murmelte ich entschuldigend lächelnd und war erleich­tert als sie zurück lächelte. Hätte ich sie zum Weinen gebracht, würde sie vielleicht nichts mehr erzählen. Aber gerade diesmal wollte ich alles hören.

„Wie kam es zu dem Sex auf der Autobahnbrücke?“, fragte ich in ge­schäftsmäßigem Ton. Schließlich war dies ja eher ein Arbeitsinterview und es wurde Zeit, nicht mehr nur glotzend da zu sitzen, sondern dem Gespräch mal so etwas wie Struktur zu geben.

„Welches Töpfchen?“, fragte Claudia.

„Ist doch egal“, fuhren Ingrid und ich sie an.

„Man wird ja wohl noch fragen dürfen“, sagte Claudia und verschränkte beleidigt die Arme. „Maria hat ja schließlich mit dem Topf ange­fangen.“

„Der ist aber jetzt nicht wichtig“, zischte ich.

Zum Glück fing Hannelore an zu erzählen, so dass Claudia endlich auf­hörte auf dem Töpfchen rum zu hacken.

unbekannte Hilfe

„Das war vor zwei Jahren. Mein Auto sprang nicht an. Und da kam dieser gut aussehende Mann und bot mir seine Hilfe an, konnte aber auch nichts ausrichten. Weil ich nicht genug Geld für ein Taxi dabei hatte, musste ich zu Fuß nach Hause laufen. Der junge Mann hätte mir das Taxi sogar bezahlt, hatte aber auch nicht genügend Geld dabei.“

„Junger Mann?“, unterbrach sie Claudia. „Wie alt war er denn?“

„Ich schätze Ende zwanzig“, antwortete Hannelore.

„Ende zwanzig?“, fragte Ingrid erstaunt. „Vor zwei Jahren? Da warst du achtundfünfzig.“

„Stimmt“, antwortete Hannelore wieder in einem Ton, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. „Er sah aus wie James Dean.“

Sofort entstand vor meinen Augen ein Bild von Hannelore, wie sie in ihrer Kittelschürze auf der Autobahnbrücke mit James Dean Sex hatte.

Photo by Thomas Griesbeck on Unsplash

„Erzähl weiter“, drängte Claudia.

„Ich sagte zu ihm, dass ich nach Hause laufen würde und er bot mir an mich zu begleiten, damit ich nicht im Dunklen alleine laufen müsse. Er war so ein höflicher junger Mann. Ich meinte, dass wir dann ja den Weg an den Schrebergärten vorbei nehmen könnten. Allein wäre mir der Weg zu einsam.“

„Du bietest einem wildfremden Mann an mit dir im Dunklen durch den Wald und an den Schrebergärten vorbei zu gehen?“, fragte ich erstaunt.

„Na“, sagte Hannelore, „auf der Sutthauser Straße hätte ich es ja nicht um 22.00 Uhr mit ihm treiben wollen.“

„Du wusstest, dass es dazu kommt?“, fragte Claudia.

„Nein“, antwortete Hannelore, „ich wusste nicht dass es dazu kommt. Aber ich wusste, dass ich wollte dass es dazu kommt.“

„Erzähl weiter“, sagte ich matt.

„Ach, da gibt es eigentlich gar nicht viel zu erzählen“, sagte Hannelore munter. „Als wir auf der Fußgängerbrücke über der Autobahn waren habe ich ihn gefragt, ob er es schon mal über einer Autobahn getrieben hat. Er lächelte. Und dann haben wir es einfach getan. Es war himm­lisch.“

„Und dann?“, fragte Claudia.

„Dann sind wir zur Straße zurück gelaufen zum Taxistand.“

„Du hattest also doch genügend Geld“, rief Ingrid.

„Ja, natürlich hatte ich genug Geld. Und wenn nicht, hätte ich den Taxi­fahrer ja auch zu Hause bezahlen können. Aber der junge Mann gefiel mir halt so gut.“

„Und zu Hause?“, fragte ich. „Was hast du da gemacht?“

„Das Essen für Thomas aufgewärmt, er kam ja von seiner Spätschicht“, antwortete Hannelore, wieder ganz Hausfrau.

„Thomas hat nichts gemerkt?“, fragte Claudia.

„Ich habe es ihm erzählt“, sagte Hannelore

„Und wie hat er reagiert?“, fragte ich perplex.

„Wie immer halt. Wir erzählen es uns ja immer wenn wir mit einem anderen geschlafen haben“, antwortete sie.

Eine Weile war es still. Wir alle mussten das erst mal verdauen. Hannelore in ihrer Kittelschürze und Thomas mit seinen Garten­zwergen erzählten sich ihre jeweiligen außerehelichen Sexerlebnisse!?

Hannelore schaute uns an. „Wir finden halt Monogamie langweilig“, sagte sie.

Ingrid fand als erste ihre Sprache wieder. „Ihr erzählt euch davon?“

„Ja, natürlich“, sagte Hannelore.

„Immer?“, fragte Ingrid.

„Ja, immer“, antwortete Hannelore. „Auch, dass er vor drei Jahren mit dir geschlafen hat. Das wolltest du doch wissen, nicht wahr?“

Claudia und mir klappte die Kinnlade runter. Ingrid sprang auf und raffte ihre Sachen zusammen. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie bockig wurde wenn sie sich in die Enge getrieben fühlte.

„Ein Highlight war dein Thomas nicht“, blaffte sie Hannelore an.

„Das hat er von dir auch gesagt“, lachte Hannelore.

Ingrid stürmte aus der Wohnung und schlug laut die Haustür hinter sich zu.

„Was ist eigentlich dein Highlight?“, fragte Hannelore an mich ge­wandt.

Die Highlights meines Lebens liefen vor meinem inneren Auge ab und ich empfand sie alle einfach nur belanglos, fühlte mich irgendwie so trutschig.

„Wahrscheinlich mein erster Gang zum Töpfchen“, murmelte ich.

© 2020 Maria Becker – Titelbild: Photo by Ilona Frey on Unsplash
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben werden.

– alle Jahre wieder

Wenn die ersten Discounter die Stollen, Lebkuchen und Co. aufbauen, haben wir meistens noch Temperaturen um die 30 Grad. Aber alle sollen wissen, dass die Weihnachtszeit als nächster großer Höhepunkt vor der Tür steht.

Spätestens aber, wenn die Schaufenster-Puppen sich in roten Dessous lasziv in den Kaufhäusern rekeln, ist es soweit. Die Vorweihnachtszeit hat begonnen!

Zur selben Zeit eröffnen die Weihnachtsmärkte ihre Tore. Was früher ein spezieller Markt war, um die winterlichen Besonderheiten an Mann und Frau zu bringen, ist heute ein großer Jahrmarkt mit glühweinseligen Familienvätern im Kreis der Kollegen, Single-Gänseschwärme mit blinkenden Weihnachtsmützen, überteuerte Bratwürstchen und heiß angepriesene lauwarme Getränke an jedem Stand. Musikalisch umrahmt wird das ganze Chaos mit einem Mix aus Weihnachtsliedern und Hütten-Gaudi.

Doch ist es wirklich so? Wie sieht es aus im Norden Deutschlands? Ich scheue weder Kosten noch Mühen, um einen objektiven Überblick zu erhalten und teste die auf jedem Weihnachtsmarkt typischen Spezialitäten und Glühweine ohne Rücksicht auf Gesundheit und Geldbeutel.

Hier ist mein Bericht.

Hannover

In der Hauptstadt der Niedersachsen fallen einem sofort die angenehme und weihnachtliche Beleuchtung des Weihnachtsmarktes in der Altstadt auf. An rund 120 festlich geschmückten Ständen werden Christbaumschmuck unter anderem aus dem Erzgebirge und dem Thüringer Wald, Holzspielsachen, kunstgewerbliche Artikel, Keramik und Haushaltswaren angeboten. Vor Ort zeigen sogar Glasbläser, Töpfer und Kerzenmacher ihr handwerkliches Geschick. Für Kinder gibt es auf dem Weihnachtsmarkt ein abwechslungsreiches Angebot. Es reicht vom Puppenspieler, Glasmalerei über eine Märchenerzählerin bis zu Kinderkarussell und Riesenrad.

Hansestadt Rostock

Währenddessen eröffnet pünktlich zum 1. Advent, wie jedes Jahr der „echte“ Weihnachtsmann zusammen mit der Märchentante und seinen vielen Gehilfen aus dem Märchenwald den größten Weihnachtsmarkt im Norden. Mit über 300 Schaustellern und Hütten verteilt sich dieser im Zentrum von Rostock über eine etwa 3,2 km lange Bummelmeile – vom Neuen Markt bis zur Fischerbastion. Auf dem Parkplatz Fischerbastion nahe dem Stadthafen, wo die großen Fahrattraktionen wie Überschlagschaukel, hauptsächlich Kinder und Jugendliche anziehen, drängeln sich skandinavische Busgruppen durch die einheimische Menge in Richtung Innenstadt. Diese erkennt man an der Schlagseite. Daher kommt wohl der ungläubig hervorgebrachte Ausruf: „Aaalter Schwede“.

Photo by (9) Rostocker Bilder Manufaktur | Facebook

Hier ist es richtig voll! Dafür ist die Auswahl an Getränken beachtlich. Heidelbeer- oder Holunder/Schlehe – Glühwein sowie für die Autofahrer und Anti-Alkoholiker mehrere heiße Säfte wie Kirsch-, Holunder- und Sanddornsaft können käuflich erworben werden. Die Preise liegen zwischen 2,- und 3,- € pro Becher plus Becherpfand.

Ein Weihnachtsmarktbesuch ohne die Original Rostocker Rauchwurst oder ein Stück Räucherfisch frisch aus dem Räucherschrank ist undenkbar.

Die Rostocker Rauchwurst gibt es nur hier. Diese Spezialität schmeckt perfekt zu einem Rostocker Pils. Für jeden Rostocker ist es eine heilige Pflicht, die heißgeräucherte Wurst mit einem eiskalten halben Liter in einem Schluck runter zu spülen. Dafür trainieren die Einheimischen das ganze Jahr über. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Ich schwöre!

Der Norden ruft

Seit einigen Jahren gibt es eine Finnland-Hütte am Universitätsplatz. Die jungen netten Frauen fallen vor allem durch ihre rote, farbenprächtig verzierte Tracht auf. Hier gibt es keinen Glühwein! Dafür einen „Trollentrunk“ (heißer Preiselbeersaft + Rum), einen finnischen Weihnachtspunsch mit Nüssen und Rosinen aus eigener Herstellung oder das „Nordlicht“, eine heiße Schokolade mit Finnlandia-Wodka! Dazu passt ein Elchburger.

Ja, genau, es ist ein Burger mit echtem Elchfleisch. Schmeckt hervorragend. Ich nehme den Trollentrunk dazu, mit einem doppelten Rum.

Das Nachbarland Schweden hat hier auch eine ständige Vertretung. Es gibt „Wikinger“ (Glögg + Rum), „Blonden Schweden“ (Glögg + Wodka) und den leckeren Glögg (pur) mit Broby-Pepparkakor.

Die Hütte ist immer belagert, wie bei den Wikingern so üblich. Wie ein echter Nordmann kämpfe ich mich vor zum Brett und um einen „Blonden Schweden“ zu killen. Anschließend verbrüdere ich mich mit den Schweden und nehme an der Wikinger-Weihe teil. Glögg mit viel Rum besiegelt die Freundschaft.

echte Freunde Foto (privat)

Nordeuropa kann so schön sein! Mann, gehts mir gut!!

Es kommt auf einmal eine steife Brise auf und lässt den Boulevard schwanken! Doch ich lasse mich davon nicht beirren und strebe unaufhaltsam, mir den Weg durch Menschenwogen bannend, dem Neuen Markt zu.

Das Riesenrad lass ich unter diesen Bedingungen lieber links liegen und stelle mich beim Hütt´n Gaudi unter. Lecker, herb und fruchtig genieße ich den heißen Glühwein im Gespräch mit dem netten Wirt, welcher sich gern auf einen Small Talk mit den Gästen einlässt! Wer lieber schweigend sein Heißgetränk trinken möchte, kann durch eine Scheibe das angrenzende Spiegellabyrinth beobachten, wo sich einige angetrunkene Weihnachtsmarkt-Besucher gerade die Stirn lädieren oder im beheizten Außenbereich die „Autoschlange“ eines Kinderkarussells bewundern. Da die Kinderautos gerade im Stau stehen, beschließe ich noch den Heidelbeerglühwein zu probieren.

Ob und wie er geschmeckt hat, erschließt sich meinem Erinnerungsvermögen nicht mehr. Ich kann mich nur an die besorgten Gesichter der Mitreisenden in der Straßenbahn nach Hause erinnern! Ich sah wohl nicht gut aus, denke ich! Na ja, was tut man nicht alles als Glühwein-Tester zum Wohle der Menschheit!

Kaum ist der Rausch verflogen, erinnere ich mich wieder an meine heilige Pflicht! Der Glühwein in Hamburg und Osnabrück wartet auf mich. Bei dem Gedanken stieg mir der vertraute süße aromatische Duft bereits zu Kopfe.

Hansestadt Hamburg

Hamburg ist sehr groß und man findet verschiedene Weihnachtsmärkte in der Stadt. Aber es gibt nur einen „Santa Pauli“ auf dem Spielbudenplatz. Auf Deutschlands berühmtester Vergnügungsmeile direkt neben dem Eingang zum Udo Jürgens Musical ist dieser kleine Markt etwas ganz Besonderes.

Seit 2006 befindet er sich zwischen den zwei Showbühnen und bietet statt handgestrickter Socken alles rund um die schönste Nebensache der Welt. Ob Intimschmuck, Verhüterlis, handgedrechselte Holzdildos (Holdis) oder Vibratoren in allen Varianten und Größen kann hier jeder ein ausgefallenes Geschenk erstehen.

Waldmichl & Co

Ich kann mich zwischen den Bio – Holzvibratoren „Waldmichl“, „Fuchsschwanz“ oder „Bärenzunge“ nicht entscheiden. Welcher sieht unter dem Weihnachtsbaum mit einer roten Schleife besser aus? Ich kaufe dann doch keinen und hole mir lieber noch einen Glühwein mit Schuss.

Wie jedermann weiß: Zu jedem guten Trunk sollte man ordentlich essen! Deshalb wende ich mich gleich an den nächsten Stand mit verschiedenen Würsten auf dem Bratrost! Am Grill sind ein dicker Opa und seine Mutter (oder war es seine Frau?) mächtig am Schwitzen. Eine junge hübsche Kundin beschwert sich gerade, dass auf den Werbeschildern am runden Hüttendach fünf verschiedene Würste stehen, aber nur drei auf dem Grillrost liegen! Dabei hat sie sogar noch ein Schild übersehen! Ich schau mir die sechs Werbeschilder genauer an: Krakauer, Bratwurst, Currywurst, Bratwurst, Krakauer, Currywurst. Stimmt, macht exakt fünf oder vielmehr sechs Würste! Ich kläre das Missverständnis auf. Alle Beteiligten finden es urkomisch. Ich bestelle eine Bratwurst. Sie ist kalt und schmeckt mir nicht. Da hört bei mir der Spaß auf.

Santa Pauli (Foto: privat)

Danach besuche ich den Stand des FC St. Pauli. Dort gibt es neben diversen Fanartikeln wie Flaggen, T-Shirts, Wollmützen und Weihnachtsbaumkugeln auch Glühwein. Genauso wie die derzeitige Spielstärke des Vereins, schmeckt der Glühwein zweitklassig und im Tabellenmittelfeld! Leider!

Ü-18 Tannenwald

Das absolute Highlight ist aber der nicht jugendfreie Ü-18 Tannenwald, welcher vom Kiez-Original Inkasso-Henry bewacht wird. Der lässt sich nicht lange Bitten und nimmt einem erst mal 2.50 € Eintritt ab, inklusive Verzehrbon von 2,- €.

Dafür wird in dem Zelt heftig eingeheizt! Kein Wunder, es sollen sich ja auch die spärlich bekleideten Stripperinnen und Stripper nicht erkälten!

Dem Besucher wird ein außergewöhnliches Programm geboten: eine Stripteaseshow im Stil der 50 er Jahre. Kein billiges Rumzappeln, sondern künstlerische Entblätterungszeremonien kann ein Jeder bewundern. Das spricht auch viele der anwesenden weiblichen Besucher an. Mir wird nicht nur vom Glühwein heiß. Wer sich allerdings mal eben draußen abkühlen will oder ein WC aufsuchen muss, darf sich ein zweites Mal von Henry abkassieren lassen. Für den erhaltenen Verzehrbon hole ich mir ein weiteres kühles Bier von der Kiez – Brauerei Astra! Prost! Zisch!

Wer noch nicht genug gesehen oder getrunken hat, kann ein paar Seitenstraßen weiter bis zum frühen Morgen durchmachen.

Osnabrück

Ganz anders ist Osnabrück! Was hier auffällt, sind die liebevoll geschmückten und beleuchteten Geschäfte auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt, welcher am Domplatz beginnt und sich bis zum historischen Rathausplatz erstreckt. Klein, aber fein ist der weihnachtliche Markt, wenn man sich die Menschenmassen mal wegdenkt. Nicht ohne Grund wurde der Osnabrücker Weihnachtsmarkt vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) zum schönsten Weihnachtsmarkt im Norden gekürt.

Der Vorteil von vier Reihen Wartender am Stand Weinkrüger ist, man kann in Ruhe die Angebote studieren und sich die Bemerkungen der bereits Glühwein-Trinkenden anhören und /oder visuellen und körperlichen Kontakt zu den zahlreichen Frauengruppen aufnehmen. Der Nachteil ist: Der Glühwein ist durch das ständige erneute Auffüllen nie richtig heiß und man bekommt von dem lauwarmen und viel zu süßen Getränk sofort Sodbrennen!

Wer es in dem Gedränge schafft, kann ein Erinnerungsfoto von der “Größten Weihnachtsspieldose der Welt“ (sechs Meter hoch) oder dem „Größten und schwersten Nussknacker der Welt“ machen. Er ist 6,10 m hoch, wiegt 8,5 t, hat einen Umfang von ca.6, 50 m und soll in sechs Monaten aus einem Stück geschnitzt worden sein und sogar funktionieren! Die Nüsse will ich danach mal sehen!

Was mir in Osnabrück als weiteres Kuriosum auffällt: Hier stehen die Raucher in der Hütte und die Nichtraucher draußen! Scheint aber, bei diesem Massenauflauf das Vernünftigste und Sicherste für alle Beteiligten zu sein.

Ab 19:00 Uhr verdrängen die Vereins- und Firmen- Gruppen die Familien vom Platz. Es wird lauter und man glaubt es kaum: noch voller!

Ich komme nun nicht mehr aus der Glühwein- Bude raus und bin gezwungen auszuharren. Einige Stunden später nutze ich den Aufbruch eines Kegelvereins und schließe mich an. In einer Riesen- Polonaise ohne Möglichkeit auszuscheren, gelange ich zum anderen Ende vom Domplatz.

Osnabrücker Innovation

Genau hier befindet sich eine Bude vom Förderverein der Wirtschaftsjunioren OS e.V. Da an dieser Stelle die einzige Möglichkeit ist anzuhalten, beschließe ich, die Wirtschaft in Osnabrück zu fördern und ordere einen Glühwein mit Schuss! Der freundliche junge Mann empfiehlt noch zu warten, da der Glühwein zurzeit kalt sei! Ich habe aber Durst, keine Zeit und bin gewillt, meinen Beitrag für den wirtschaftlichen Aufschwung sofort zu leisten!! Und wie es sich für einen Förderverein gehört, wurde ein Kompromiss gefunden: ½ Becher Rum mit kaltem Glühwein aufgefüllt für einen einzigen Euro ohne Pfand! Nach mir schlagen gleicherweise drei Jugendliche zu und lassen sicherheitshalber den Glühwein weg! Man soll ja nicht so viel durcheinandertrinken! Ich bin begeistert, wenn das keine Osnabrücker Innovation ist? Wo bekommt man heute noch einen Becher (0,2 l) voll 40 % Rum für einen Euro??

Zum Nachspülen begebe ich mich auf den Rathausplatz zum Historischen Weihnachtsmarkt. Geradezu, genau mitten im Weg, strategisch günstig gelegen, steht die Feuerzangenbowle – Hütte neben einer riesigen Pyramide, welche mit mannshohen Figuren jeden zum unfreiwilligen Stopp zwingen. Ich lasse mich nicht lange nötigen und kaufe einen Becher mit einer Wartezeit von nur 10 Minuten. Erstaunlich schnell, bei dem Gedränge. Es schmeckt mir erfreulich gut, nicht zu süß, würzig und mit hohem Alkoholgehalt. Vorsicht Suchtgefahr!

Osnabrück (Foto: privat)

Nach dem Besuch des Budenzaubers auf dem Heger Tor mit viel frischer Luft und Platz, lasse ich den Abend in der Lagerhalle beim „Arschkalten Wintergrillen“ mit fetziger Livemusik von der Kult- Sofaband und einem eiskalten Bier ausklingen. Was für ein feiner Tag und morgen kann ich endlich ausschlafen.

Fazit: Rostock hat nicht nur den größten Weihnachtsmarkt mit Rummel, sondern auch die umfangreichste Auswahl und den leckersten Glühwein. Santa Pauli kann mit aufregender Exklusivität und Originalität überzeugen und Osnabrück ist der historisch schönste und überfüllte Weihnachtsmarkt im Norden. Hannover ist genau der Richtige für Familien.

Dezember 2008

Titelbild: Photo by Roman Kraft on Unsplash

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Immer eine Reise wert

Vor langer, langer Zeit hatte ich eine Weiterbildung in Hannover.
Ich war im wunderschönen Dorint Hotel untergebracht. Nach dem anstrengenden Schulungstag brauchte mein Körper dringend eine Entspannung. Da es an diesem Dezembertag draußen kalt war, beschloss ich, die Hotel-Sauna zu besuchen.
Es war erst später Nachmittag. Ich war völlig allein in der Sauna. Da ich es bis dahin nicht anders kannte, benutzte ich das Dampfbad, wie mich der liebe Gott erschaffen hat. Selbstverständlich nutzte ich ein großes Handtuch zum Sitzen auf der Bank.
Nach drei Sauna-Gängen, schon ziemlich aufgeweicht, wollte ich nur noch zwei Minuten kurz in den Whirlpool springen.

Photo by Logan Stone on Unsplash

Kaum saß ich drin und streckte alle viere weit von mir, kamen zwei Damen in die Sauna. Warum auch immer, jedenfalls beschlossen sie den Saunabesuch mit dem Whirlpool zu beginnen. Sie setzten sich, welch ein Schreck, angezogen mit schwarzen Badeanzügen, zu mir in den Pool. Zum Glück blubberten die Blasen zu diesem Zeitpunkt sehr stark. Mir wurde jedenfalls noch heißer als zuvor in der Sauna. Panik kam in mir auf. Was sollte ich machen, wenn das Blubbern aufhört? Die Frauen erweckten nicht den Eindruck, als wollten sie gleich wieder gehen. Einfach cool aufstehen, ‚Auf Wiedersehen‘ sagen und nackt direkt auf der Leiter neben den beiden aus dem Pool steigen? Wenn sie dann auf einmal losschreien? Wir waren allein, was nicht alles hätte passieren können! Ich sah schon die Schlagzeile in der BILD: Perverser belästigt Frauen im Hotel!‘ oder ‚Notwehr- Mann im Whirlpool ertränkt!‘
Nein! Tapfer sitzen bleiben und den Finger ununterbrochen auf dem Blubberknopf drücken!
Ich war einer Ohnmacht nahe und völlig aufgelöst. Endlich stiegen die Damen nach einer Stunde Dauer-Klatsch aus dem Whirlpool.

Altstadt

Feuerrot und durstig beschloss ich, die Hotelbar wegen der Ladys lieber zu meiden. Deshalb ging ich vorzugsweise in die Altstadt.
Doch wo schmeckt das Bier in Hannover am besten? Mein Vater sagte immer, wo angenehme Stimmung und viele Leute sind, dort bist auch du richtig! Also trat ich in eine kleine, überfüllte Gaststätte gegenüber dem Theater. Ich fand gerade noch ein Platz ganz außen in der Ecke am Tresen. Den Lärm überschreiend bestellte ich ein Pils.
In dem Moment, als mein Bier serviert wurde, kam ein Mann rein. Er rief: „Der Bus ist da!“ Innerhalb von zwei Minuten war die Bude leer und ich saß mit einem Typen allein an der Theke. Die Stille tat auf einmal richtig weh!
Nach fünf Minuten schweigen, sprach ich den Mann in meinem Alter an. Ob er mir sagen könnte, wo denn hier in der City „die Luft brennt“? Nach einem kurzen Gespräch und zwei Bier später bat er sich an, mir die Altstadt zu zeigen. Meine Begleitung, ein Bettenverkäufer, kannte sich sehr gut aus! Sein Vater war selbst Wirt und er war in der Szene bekannt. Deshalb bekamen wir sofort in jeder noch so vollen Kneipe ein Pils und einen Schnaps vom jeweiligen Chef persönlich spendiert. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Schenken es in der Altstadt von Hannover gab, aber es waren mehr, als ich vertragen konnte!


Als wir zu guter Letzt in einer Schwulen-Bar landeten, war es an der Zeit, die Notbremse zu ziehen und ich verabschiedete mich sehr schnell und fiel völlig betrunken in das bestellte Taxi. Die Drehtür im Hotel hatte was gegen mich. Sie drehte sich mit solch einer Geschwindigkeit, dass ich anschließend auf allen vieren durch die Lobby robben musste, um zum Aufzug zu kommen. Hilfe von der grinsenden Nachtwache lehnte ich verärgert ab, denn ich hatte genug von männlicher Begleitung, schon gar nicht auf das Zimmer!

Foto:(privat): Hannover

Müsli

Am nächsten Morgen zum Frühstück hatte ich wenig Appetit und stocherte lustlos in meinem Fruchtmüsli rum. Gleichzeitig versuchte ich, die letzte Nacht zu rekapitulieren.
Der Kellner fragte mich, ob mir das Müsli nicht schmecken würde. Ich verneinte und sagte doch tatsächlich: “Es schmeckt ausgezeichnet! So etwas Gutes gibt es bei uns nicht. Wo kann man dieses Müsli kaufen?“ Dienstbeflissen machte er sich sofort auf den Weg in die Küche, um den Koch zu fragen. Welcher auch gleich angerannt kam, um mir mitzuteilen, dass es sich um eine spezielle Mischung für die Dorint Hotels handele und nur in Zehn-Kilo-Säcken zu haben sei.
Er würde mir ausnahmsweise einen Sack verkaufen oder einen angefangenen mit ca. fünf Kilogramm Rest schenken.
Bei der Vorstellung mit meinem schmerzenden Kopf und einer schweren Reisetasche zur Schulung und anschließend mit dem Zug nach Hause zu fahren, musste ich dann passen.
Nur mit viel Mühe gelang es mir, den übereifrigen Koch davon abzubringen, mir den Beutel mit einem Kurier an die Heimatadresse liefern zu lassen. Obwohl, das Gesicht meiner Familie hätte ich gern gesehen, wenn der 10 kg Sack zu Hause angekommen wäre.

Seit dieser Zeit habe ich zwar noch öfter in Hannover übernachtet, aber nie mehr im Dorint Hotel. Ich hatte Angst, dass mich dort jemand wiedererkennen könnte. Unter dem Motto: Wollen Sie jetzt das Müsli abholen?

Dezember 2000

Titelbild: (privat): Hannover Rathaus

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Die Liebe ist ein Wunderholz

Die Liebe ist ein empfindliches Pflänzchen,

braucht regelmäßig Zuwendung und ein geschütztes Plätzchen,

damit es nicht verdorrt.

Vertrauen und Gemeinsamkeiten sind wie Dünger,

lassen die Liebe wachsen und stark werden.

Geheimnisse und Freiheiten sind wie Triebe,

man muss sie etwas stutzen, damit sich nicht wild austreiben.

Gemeinsame glückliche Stunden sind wie Blüten

und Kinder wie Früchte. Wunderschön anzuschauen.

Sie sorgen dafür, dass die Liebe sich verbreitet

und auch in Zukunft die Menschen glücklich macht.

Falls die Liebe doch einmal absterben sollte,

kann der kahle Stamm jederzeit wieder austreiben.

Dazu braucht es nicht viel, ein neuer, fruchtbarer Topf und Hoffnung.

Denn die Liebe ist wie ein Wunderholz.

Oktober 2020

Titelbild: Foto (privat) Wunderholz

Erste Digitale Bundesweite Sessionseröffnung

Im ganzen Land sitzen gespannt Tausende Menschen vor den Fernsehern und Computern. Viele haben dafür extra Urlaub oder freigenommen. Sie können es kaum erwarten. Die Spannung steigt ins Unerträgliche.

Wie wird es dieses Jahr sein? Die Blicke suchen die Uhr. Gleich ist es soweit!

Schnell das Kostüm gerichtet, den Hut geradegerückt.

Wer hätte das vor einem Jahr noch gedacht? Das ist doch verrückt. Das gab es noch nie. Wird es ein Erfolg?

Die Sekunden laufen schleppend runter. Halte mein gefülltes Sektglas hoch.

Helau, Alaaf, Ahoi- die 5.Jahreszeit ist eröffnet. So fühlt es sich an: Karnevalseröffnung zu Coronazeiten.

Foto (privat) – Berliner zum Karneval

11.11.2020 11:11 Uhr

Titelbild: Foto – privat

Der Zeitspeicher

Wer kennt das nicht? Jeden Tag fragt man sich, wo ist die Zeit nur geblieben oder was für eine Zeitverschwendung?

Ich hänge wieder seit einer knappen Stunde in einer Warteschleife. Man könnte inzwischen etwas anderes machen, aber dann wird man abgelenkt oder man ist nie ganz bei der Sache. Es ist nebenbei. Mir kommt ein Gedanke.

Wenn Zeit und Universum beim Urknall aus konzentrierter Energie entstanden – dann könnte ZEIT eine Energieform sein. Betrachtet man das Universum als Maschinerie, die ihren gesamten Energieinhalt bekommen hat, als sie beim Urknall gestartet wurde. Dann wird die Maschine ´Universum´ durch asymmetrischen Energieabfluss betrieben: Denn seit dem Urknall nimmt die Energie ständig ab – weil sich das Universum ausdehnt, und wird dabei kühler. Dies ist auch ein Grund dafür, wieso der ´Zeit-Pfeil´ eine festgelegte Richtung hat.

Ja, selbst ein einzelnes Atom muss man als Maschine betrachten, die Energie abgibt. Nehmen wir an, dass die von den Atomen ständig abgegebene Energie eine abstoßende Wirkung hat – dann könnte dies die seltsame ´Dunkle Energie´ sein, welche das Universum mit zunehmender Ausbreitungsgeschwindigkeit auseinandertreibt.

Photo by Casey Horner on Unsplash

Durch die Ausbreitung des Universums verringert sich der Energieinhalt pro Volumen ständig- diesen sich dauernd verändernden Zustand kann man als imaginäre ´Gegenwart´ bezeichnen. Die Energiedifferenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zuständen – kann man als ´vergangene Zeit´ beschreiben: ZEIT = Energie. (Vergleichbar einem Pfeil: Dieser erhält beim Abschuss die gesamte Energie. Teilt man den Pfeilflug in winzigste Gegenwart-Abschnitte ein, so wird sich der Pfeil dabei immer bewegen und gleichzeitig immer energieärmer).

Man müsste also die abgehende Energie der Atome während einer Warteschleife auffangen und speichern. Dazu brauchte man nur drei Dinge: Einen exakten Zeitmesser, einen Energiewandler (zum Einfangen der Energie und später wieder Abgabe an das Atom) sowie einen riesigen Energiespeicher. Je größer, desto besser!

Ich sehe schon die großartigen Möglichkeiten, die daraus entstehen könnten. Reisen in eine ferne Galaxie wäre ein Klacks, mit einem entsprechend großem Zeitenergiespeicher.

Wenn man noch die verschwendete Zeit anderer Leute mit einsammeln könnte? Mir wurde schwindelig. Was für eine Aussicht?

Allerdings, wie konnte ich unterscheiden, was vergeudete Zeit und was z. B. Erholung oder eine schöpferische Auszeit für andere ist? Die Energieabgabe wäre dieselbe. Kriminelle, die illegale Zeitmanipulationen vornahmen oder noch schlimmer, die Lebenszeit anderer verkürzten?

Diese Aussicht erschreckte mich so sehr, dass ich alle inzwischen gemachten Notizen augenblicklich vernichtete. Ich lege den Telefonhörer auf und setze mich erschöpft auf einen bequemen Gartenstuhl auf meiner Terrasse.

Ich schaue über den gepflegten Garten hinauf zum Himmel. Einzelne Wolken ziehen vorbei, die Sonne scheint mir wärmend ins Gesicht. Das Universum dehnt sich unaufhaltsam weiter aus. Die Menschen um mich herum hasten durch die Welt und werden dabei immer schneller alt.

Ich atme tief ein, was für eine Zeitverschwendung!

April 2020 – VHS-Kurs Schreibwerkstatt (Reizwort Speicher)

Titelbild: Photo by Greg Rakozy on Unsplash

Quelle: https://urknall-weltall-leben.de/forum/2-4-die-zeit/655-das-wesen-von-zeit-ist-energie-ein-neues-erklaerungsmodell

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Ausreichend

Ausreichend Essen und Trinken,

ausreichend Bewegung und Schlaf,

ausreichend Zärtlichkeit und Liebe,

ausreichend Licht und Schatten,

ausreichend Arbeit und Gehalt,

ausreichend Freizeit und Erholung,

ausreichend Platz und Freiheit,

ausreichend Kunst und Kultur,

ausreichend Zeit und Geduld,

ausreichend Bildung und Information,

ausreichend Gesundheit und Geborgenheit,

ausreichend medizinische Versorgung und Pflege,

ausreichend Mindestabstand und soziale Kontakte,

ausreichend Masken und Luft zum Atmen.

Wieviel ist ausreichend?

November  2020

Titelbild : Photo by Karim MANJRA on Unsplash

Ja, es gibt sie: Die Liebe auf den ersten Blick.

Vor ungefähr zehn Jahren sah ich sie zum ersten Mal und war sofort verliebt. Zusammen mit Freunden hatten wir eine Kanutour unternommen und der Tag sollte mit einem gemütlichen Grillabend würdig beendet werden. Die Dame saß auf der Couch im Wohnzimmer und würdigte mich keines Blickes. Es hatte den Anschein, als würde sie der Trubel um sie herum gar nicht interessieren. Sie rührte kein Stück Fleisch an und trinken sah ich sie auch nicht.

Ich wagte es nicht sie anzusprechen oder nur in ihre Nähe zu kommen. Schließlich war ich verheiratet und sie lebte mit ihrer Familie in einem schmucken Reihenhaus. Ihr Name ist Sonja. Sonja von…. irgendeiner Burg. Aha, dachte ich, eine adlige, kühle Dame. Obwohl die Lady genau wusste, wie ihre Ausstrahlung auf ihre Mitmenschen wirkte, hielt sie sich weiterhin vornehm zurück und beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Ab und zu gähnte sie gelangweilt, während die untergehende Sonne ein rötliches Funkeln auf ihr feines, zartes Haar zauberte. Wow, was für eine Prinzessin!

Ihr Körper war nicht schlank, eher etwas rundlich, was das Weibliche an ihr noch Betonte. Ja, ich liebte sie sofort. Ich ließ es langsam angehen und gab ihr die Zeit, sich an mich zu gewöhnen. Nach einem halben Jahr begrüßte sie mich schon freundlich, wenn ich zu Besuch kam. Ich war überhaupt nicht aufdringlich oder vorlaut. Ihr schien das zu gefallen.

Nach einem weiteren halben Jahr, ich hatte mich inzwischen von meiner Frau getrennt, zogen wir endlich zusammen. Am Anfang war es für mich schon ungewohnt, auf ihre speziellen Bedürfnisse einzugehen. Sie zeigte mir klar und schmerzhaft deutlich, was sie mochte und was nicht. Auch hatte sie einen erlesenen Geschmack, nicht alles mundete ihr. Immerhin konnte ich ab und zu mit ihr kuscheln. Das Bett teilten wir sowieso schon.

Foto (privat) : Sonja

Es ist so schön, nach Hause zu kommen, wenn jemand wartet und einen zärtlich begrüßt. Die kühle Dame von früher gibt es nicht mehr. Ich habe ihr Vertrauen gewonnen. Wir sind zusammen eine neue glückliche Familie. Ich kann mir heute ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Wenn wir am Abend zusammen beim Fernsehen auf der Couch sitzen und ich sie zärtlich hinter dem Ohr graule, schnurrt sie glücklich. Ich liebe nur einen Menschen mehr als unsere Scottish Fold Katze Sonja, meine Ehefrau Irina, welche die Katzendame mit in die Ehe gebracht hat.

Ingo Ebert – VHS – Kurs November 2019 (Reizwort Katze)

Titelbild: Photo by Kelly Sikkema on Unsplash

© 2020 Ingo M. Ebert
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