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Heute ist mein Tag

Ich wache auf. Es ist dunkel und still. Wie in einem Sarg, denke ich. Ich bin allein, ganz allein. Ich liege auf meiner Pritsche und allmählich kann ich den Raum um mich herum erkennen. Alles befindet sich an seinem Platz, nichts ist verändert. Der spärlich eingerichtete Raum besitzt kein Fenster, nur eine Tür, kaum zu erahnen. Sie ist massiv und fest verschlossen. Ich erkenne meine Arbeitsgeräte an der Wand, einen Spind und den Kühlschrank im diffusen Licht der Leuchtdioden meines Laptops. Meine Augen sind an die Dunkelheit gewöhnt. In letzter Zeit halte ich mich nur im noch im Dunkeln auf, Tageslicht habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Es lässt meine Augen schmerzen. Mein Leben ist die Nacht. Ich bin der Letzte meiner Sorte, ein Dinosaurier unter den Säugetieren. Ich bin im besten Alter, mein Körper ist gesund und trainiert. Meine Muskeln zeichnen sich stahlhart unter meinem enggeschnittenen weißen Hemd ab. Trotzdem fühle ich mich alt, müde und verbraucht. Ich werde sterben. Heute. Weil ich es so will. Es ist allein meine Entscheidung.

Nach dem tiefen traumlosen Schlaf fühle ich mich traurig, unendlich traurig. Wie ein großes, schweres Ungeheuer hat mich die Traurigkeit gepackt, schnürt mir die Luft ab. Ich habe zum ersten Mal in meinen Leben Angst. Bisher kannte ich keine Angst. Ich war ein eiskalter Killer. Angst macht einen schwach und verwundbar. Regelmäßiges, hartes Training, klare Regeln, keine Kompromisse, überirdische Reflexe und eine schnelle Auffassungsgabe ließen mich zur Nummer 1 aufsteigen. Ich habe keinen Namen, keine Freunde oder Bekannte, kein Mensch auf dieser Welt interessiert sich für mich. Ich bin ein Niemand. Nein das stimmt nicht! Gerade weil ich die Nummer 1 bin, ist die ganze Welt hinter mir her und diese Verbrecher werden nicht eher ruhen, bis sie mich zur Strecke gebracht haben. Viele versuchten es, aber es ist keinem gelungen, sie waren nicht gut genug gewesen. Ich hörte auf die Versager zu zählen und kann mich an keine Gesichter erinnern. Sie waren alle jung. Diese Killer dachten, wenn sie mich töten, dann sind sie selbst die absolute Nummer 1. Sie waren bislang nicht perfekt und mussten noch viel lernen.

Ich hatte in meiner Jugend Glück gehabt. Nach meiner Spezialausbildung in der Armee zum Einzelkämpfer, wurde ich auf meiner Reise durch Amerika vom CIA angesprochen, ob ich mich um einen Spezialagenten der Russen kümmern könnte. Ich verlangte viel Geld. Richtig viel Kohle, und trotzdem bekam ich die Arbeit. Diesen ersten Job erledigte ich so sauber und unglaublich perfekt, dass ich mich um weitere Beschäftigungen nicht mehr zu kümmern brauchte. Regierungen und Konzerne aus der ganzen Welt boten mir Unsummen für einen Kopf. Ich konnte es mir leisten, mir meine Aufträge auszusuchen.

Ich war ein Meister der Täuschung und Tarnung. In den größten Metropolen der Welt war ich zu Hause und fiel als weißer Mann nicht auf. Mein bürgerlicher Name ging verloren, mein Aussehen wechselte wie meine schwarzen, maßgeschneiderten Anzüge. Ich lieferte pünktlich ab und war die Nummer 1. Damit begann die Jagd auf mich. Ich zog mich in die Unterwelt der Großstädte zurück und ging nach Europa. Hier kannte ich mich am besten aus.

Ein zur Ruhe setzen kam für mich nicht in Frage, das konnte ich mir nicht vorstellen. Die Jagd auf mich war ein Spiel, es zog mich in seinen Bann. Der Meister ließ die Lehrlinge bluten. Doch irgendwann wurde es lästig. Ich nahm schon lange keine Aufträge mehr an und zog mich noch weiter zurück in die Dunkelheit der unterirdischen Kanäle und Katakomben der Städte. Ich wurde zum Nachtmenschen. Meine Augen gewöhnten sich immer mehr an die ewige Dunkelheit. Doch das machte die Suchenden noch rasender und unvorsichtiger. Ich kannte inzwischen jeden unterirdischen Bunker, jeden Abwasserkanal und jedes Loch in Paris und Berlin. Sie hatten hier unten keine Chance gegen mich. Doch die Welt hat sich inzwischen verändert. Die Branche wandelt sich. Jetzt morden Internetseiten, ferngesteuerte Hightech-Drohnen und Kampfroboter. Schneller, billiger und effektiver. Fachkräfte wie ich, werden nicht mehr gebraucht.

Photo by William Daigneault on Unsplash

Langsam setze ich mich auf den Rand der Pritsche. Ich bin angezogen, nur die Waffe und das Jackett habe ich abgelegt. In Gedanken gehe ich noch einmal alles durch: die erfolgte Kontaktaufnahme mit mir, der vereinbarte Treffpunkt und der angeblich letzte Auftrag. Ja, es ist der allerletzte Auftrag. Ich habe ihn bewusst angenommen, obwohl ich die Falle sofort witterte.   

Am frühen Morgen soll ich nach oben kommen. Ich lache laut. Hierher hat er sich nicht getraut, ich mache ihnen immer noch Angst.

Voll konzentriert stehe ich auf und ziehe mich an, zuerst die schwarzen feinen Lederschuhe, stecke meine mattschwarze Magnum Research Desert Eagle in das Schulterhalfter. Danach binde ich den schwarzen Seidenschlips um und schlüpfe zuletzt in das feine schwarze Jackett. Streiche mir mit der rechten Hand die schwarzen Haare glatt. Hunger oder Durst verspüre ich nicht. Es wird Zeit, sicher wartet schon jemand da oben auf mich. Ich öffne die schwere Tür leicht und geräuschlos. Ohne mich umzudrehen, gehe ich den Schacht mit den vielen silberglänzenden Rohren an der Decke entlang in Richtung Ausgang. Ich befinde mich direkt unter einem großen Wohnblock am Rande von Berlin. Dann steige ich die Kellertreppe hinauf, das Haus steht leer. Die Sonne geht gerade auf, leichter Nebel liegt über den Rasen vor dem Häuserblock. Ein altes Kettenkarussell steht verloren zwischen dem Block und den weiten Wiesen. Ich denke: Was macht ein Kettenkarussell hier in dieser trostlosen Einöde? Das gehört zur Falle, meldet sich mein Unterbewusstsein.

Kein Mensch ist zu sehen, kein Vogel, nichts. Es wirkt unwirklich, wie in einem schlechten Film. Ich muss die Augen zusammenkneifen, denn meine Sonnenbrille habe ich nicht mitgenommen. Ich spüre, es ist gleich soweit. Der Feigling wird mich aus seinem Versteck abknallen, natürlich von vorn, in den Rücken ist unehrenhaft für die zukünftige Nummer 1.

Ich schaue mich langsam und aufmerksam um. Es ist nichts Interessantes zu sehen. Dabei spüre ich körperlich den Lauf einer Waffe auf mich gerichtet. Was für ein Waschlappen! Traut sich nicht einmal heraus, Mann gegen Mann. Links von mir steht das Karussell und wirft Schatten auf meine gemarterten Augen. Hinter mir schaut der graue mehrstöckige Wohnblock mit seinen leeren schwarzen Fensteraugen wie ich, über die bunten Blumenwiesen zum wolkenlosen blauen Horizont. Was für ein wunderschöner Sommermorgen. Ich bin jetzt ruhig und spüre Erleichterung, ja sogar Freude. Ich erwarte den erlösenden Tod. Heute ist mein Tag!

Ich wache auf. Es ist dunkel und still. Neben mir atmet meine Frau leise ein und aus. Ich hole tief Luft. Die Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf, was für ein Traum!

Ingo Ebert – Mai 2019 – VHS -Kurs (Kellertreppe)

Titelbild: Kohlezeichnung von Andrea Schramek @andiart

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Das blaue Auge

Wie ein blaues Auge meine Abiturnoten verbesserte

Dank meiner engagierten Mutter und meines Berufswunsches konnte ich mein Abitur in der Klosterschule Rossleben machen. Das war für mich keine Selbstverständlichkeit, denn die Erweiterte Oberschule, J.W. Goethe, war eine elitäre Internatsschule in der DDR. Meine Mutter war nur eine einfache Erzieherin und mein Vater Kraftfahrer. Doch fand sie die richtigen Worte, um die Schulbehörde des Kreises zu überzeugen. Ich sage nur: die Führungsrolle des Proletariats! So zog ich mit vierzehn Lebensjahren in das Schulinternat nach Rossleben, zusammen mit vier weiteren Jungen meines Alters in einem Zimmer. Es waren die vier schönsten, aufregendsten und intensivsten Jahre meiner Jugend.

Das Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung, das durch ein riesiges Kalibergwerk geprägt wurde, war distanziert. Man ging sich aus dem Weg. Wir waren die zukünftige Intelligenz unseres Landes und entsprechend hochnäsig. Berührungen mit den Bauern- und Schachtarbeiter- Kindern gab es nur bei Kino, Schwimmbad oder Disco-Besuchen. Kleine Reibereien blieben nicht aus. Aber es gab auch positive Ausnahmen, wie z. B. die Tanzstunden mit den gleichaltrigen Dorfschönheiten.

Es war im letzten halben Jahr meiner Schulzeit. Die Abitur-Prüfungen hatten noch nicht begonnen. Im Rahmen unserer schulischen Ausbildung durften wir einmal in der Woche mit der Schachtbahn zum Kalibergwerk fahren. Dort bekamen wir praktischen Unterricht, in dem wir in der laufenden Produktion irgendwelche Hilfsarbeiten machen durften. Für uns war es eine Abwechslung vom Schulalltag und vor allem vom drögen Internatsessen. Die Kantine im Schacht war für uns ein 5-Sterne-Restaurant. Eine riesige Auswahl und die Preise waren staatlich subventioniert, sodass wir hier mit unserem kleinen Taschengeld fürstlich speisen konnten.

Eines Tages fuhren wir wieder einmal hoch zum Kalibergwerk. Es thronte wie eine mächtige Burg über dem Dorf. Zusammen mit den Schülern nutzten auch die Lehrlinge und Arbeiter des Schachtes diese Bahn. Ein Junge aus dem Dorf ärgerte unsere Mädels. Ich kann heute nicht mehr genau sagen, was es war. Jedenfalls war es ausreichend, dass ich mich schützend vor die Mädchen stellte und dem frechen Kerl einen leichten Faustschlag ins Gesicht verpasste. Nun war er wütend und wollte mich mit gesengtem Kopf zu Boden stoßen. Ich wich schnell aus und verpasste ihm dabei einen sehenswerten Aufwärtshaken. Meine Boxausbildung hatte sich gelohnt. Das setzte ihn außer Gefecht. Nun war Ruhe im Zug.

Photo by Franco Antonio Giovanella on Unsplash

Diese Geschichte sprach sich natürlich schnell rum. Ein Freund kam später zu mir, er hatte früher in Rossleben gewohnt. Er erzählte mir, dass ich dem jüngsten Spross, einer als streitsüchtig bekannten Sippe, ein wunderschönes blaues Auge verpasst hatte. Alle seine sieben älteren Brüder hätten bereits Haftstrafen hinter sich wegen Körperverletzungen und Messerstechereien und warteten sicher nun auf mich, um es mir heimzuzahlen. Ich sollte mich vorsichtshalber mindestens das nächste halbe Jahr nicht mehr im Dorf blicken lassen. Mit sieben Halunken auf einmal wollte ich mich nicht schlagen, somit beherzigte ich den gut gemeinten Rat und hielt mich ab sofort nur noch auf dem Schulgelände auf. Doch da waren die Freizeitaktivitäten sehr beschränkt. Also nutzte ich die Zeit, um mich intensiv auf mein Abitur vorzubereiten. Ich gebe zu, ich hätte schon gern was anderes getan, z. B. ins Schwimmbad oder ins Kino gehen. Aber die Aussicht auf ein schmerzhaftes Ende danach, ließ mich dann doch zurückschrecken. Also las ich weiter fleißig meine Bücher. Die Abiturprüfungen waren auf einmal gar nicht so schlimm. Und wenn ich meine mündliche Musikprüfung nicht grandios vergeigt hätte, wäre mein Zensurendurchschnitt von 1,8 noch besser gewesen.

Das halbe Jahr war endlich rum und zur Feier des Tages und der bestandenen Prüfungen ging ich, wenn auch mit etwas mulmigem Gefühl, zur Dorfdisco. Und Ihr ahnt es schon, wer fing mich noch an der Eingangstür ab? Zwei der Brüder, mit doppelt so breiten Schultern und zwei Köpfe größer als ich.

„Bist Du der Typ, der unserem kleinen Bruder ein Veilchen verpasst hat?“ lautete die unmissverständliche Frage. Leugnen und/oder Flucht waren unmöglich. Sie musterten mich streng von oben bis unten. Was blieb mir anderes übrig?

Ich streckte mich, so hoch ich konnte. Holte tief Luft und stieß hervor: „Ja, das war ich!“ Da grinsten Beide über das ganze Gesicht, einer schlug mir mit seiner Pranke auf die Schulter und sagte: „Das war richtig gut, hat der freche Rotzlöffel mal eine Lektion bekommen. Komm, wir geben Dir ein Bier aus.“ Meine Erleichterung könnt Ihr Euch vorstellen. Und das Beste, seit diesem Abend waren alle anderen streitsüchtigen Dorfburschen auf einmal sehr freundlich zu mir. Wie man sich so in den Menschen irren kann?

Ingo Ebert   VHS Schreibwerkstatt Dezember 2019 (Reizwort Auge)

Titelfoto: Black eye © MarkFGD – www.fotolia.de

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Der 11.September 2001

Der Anschlag auf das World Trade Center in NY jährt sich dieses Jahr zum 10. Mal. (2011)

Für mich ein Grund, zurückzublicken: Wie habe ich diesen Tag erlebt? Und wie bisher verarbeitet?

Der 11. September 2001 war der letzte Tag der Scandlines-Baltic-Akademie für Reisebüromitarbeiter in Helsinki.

Wir waren am Vortag auf der Aland-Insel unterwegs und hatten in einer Ferienhaus-Siedlung, ohne Fernseher oder Radio, übernachtet. Alle freuten sich auf den letzten Tag unserer Akademie. Für den Abschlussabend war ein großer Ball mit der Vergabe der Preise für die besten Schulungsgruppen geplant. Die Stimmung war nach der Überfahrt von Mariehamn nach Helsinki bei angenehmem Wetter großartig. Von der Fähre aus ging es sofort mit dem Bus zur Stadtrundfahrt durch die Hauptstadt Finnlands – danach direkt ins Hotel. Dort sollte unser letzter Abend und gleichzeitig der Höhepunkt der Reise stattfinden.

Als wir im Hotel ankamen, lief an der Rezeption ein Fernseher. Alle starrten gebannt auf den Bildschirm. Ich sah ein brennendes Hochhaus. “Toll“, dachte ich, „Zeigen die hier die Katastrophenfilme schon am Nachmittag“. Das musste aber spannend sein, denn die Mitarbeiter an der Rezeption waren auch nicht ansprechbar. Bis jemand sagte, es sei kein Film, das wäre Live CNN. Jetzt schauten alle genauer hin und konnten es nicht fassen, was da passiert war.

Ich dachte, nun hat der 3. Weltkrieg begonnen und versuchte mit dem Handy in Deutschland anzurufen. Aber das Handynetz in Finnland war zusammengebrochen. Manche wollten auf dem schnellsten Weg nach Hause, andere auf keinen Fall sofort – schon gar nicht mit dem Flugzeug. Es herrschte plötzlich Panik! Die Leitung der Scandlines Akademie mit Herrn Detlev Düwel reagierte sehr besonnen und versuchte allen Wünschen gerecht zu werden. So wurden zum Beispiel Plätze auf der Fähre nach Deutschland geordert, für alle, die nicht mehr fliegen mochten. Ich wollte auf der Stelle nach Hause zu meiner Familie und hoffte, dass die Flüge nun nicht doch aus Sicherheitsgründen abgesagt wurden.

Der „Abschluss-Abend“ fand zwar statt, aber nur als Essen. Die Party wurde abgesagt. Niemand hatte Feierlaune. Der Fernseher auf dem Zimmer war unsere einzige Informationsquelle. Die Macht der Bilder war gewaltig! Selbst heute, nach 10 Jahren, bin ich beim Schreiben dieser Zeilen immer noch sehr emotional gerührt.

Meine Befürchtungen und Ängste, dass dieser Tag die Welt und meinen Leben beeinflussen wird, hat sich bewahrheitet. Auch wenn man versucht hat, den Alltag wie früher zu meistern. Die Welt ist eine andere, hat sich seitdem verändert. Die Leichtigkeit ist weg, kein Vertrauen mehr in die Zukunft oder in die Politik.

Photo by Ged Lawson on Unsplash

Seit dem 11. September 2001 sind wahrscheinlich mehr Menschen im Rachefeldzug der USA gestorben als damals in New York. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Getarnt als Kampf gegen den Terrorismus, befindet sich die halbe Welt im Krieg um Öl und die besten Absatzmärkte. Und genau wie damals sterben Unschuldige für einen Irrglauben. Mit militärischer Gewalt kann man die Welt nicht zum Guten verändern und vom Freiheitsgedanken überzeugen, wohl aber zerstören. Der Hass wird dadurch zwischen den Ländern, Religionen und Menschen nur weiter verschärft.

Ich habe meinen Arbeitsplatz in Folge des 11. Septembers verloren und später meine erste große Liebe. Inzwischen habe ich einen neuen Job und bin erneut verheiratet.

Mit meiner jetzigen Frau und deren Kinder habe ich ein intensiveres, engeres Familienleben. Wir genießen die gemeinsamen Stunden und freuen uns auch über Kleinigkeiten. Wir leben bewusster. Und das ist gut so!

September 2011

Foto Titelbild: dpa

Hotel Maritur – Albufeira

Warme Sommernacht in Albufeira,
das Meer rauscht leise in der Ferne,
süßer Blumenduft verwirrt die Sinne,
am Firmament funkeln die Sterne.
 
Das Abendmahl war üppig,
kein Kellner ist in Sicht,
abkassiert wirst du trotzdem,
ob du willst oder nicht.
 
Die Schuhe zu eng,
die Hose drückt,
der Fahrstuhl defekt,
werde verrückt!
 
Endlos langer Hotelflur,
gedämpfte Schritte,
das Zimmer befindet sich,
genau in der Mitte.
 
Die Chipkarte öffnet die Tür,
mit einem lauten Piep,
keine Sachen im Raum zu sehn,
ich schrei: Haltet den Dieb!
 
Bild ich es mir nur ein?
Es kommt noch schlimmer.
Wie kann so etwas sein?
Ich steh im falschen Zimmer!
 
September 2019

Foto Titelbild: privat

Es war einmal…

ein Gedanke…

ein Gedanke etwas Großes,

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches …

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches, Unerreichtes…

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches, Unerreichtes, etwas Bleibendes…

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches, Unerreichtes, etwas Bleibendes, etwas zum Ruhme der Intelligenz der Spezies Mensch…

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches, Unerreichtes, etwas Bleibendes, etwas zum Ruhme der Intelligenz der Spezies Mensch, zum Wohle der gesamten Menschheit…

ein Gedanke etwas Großes, etwas Unmögliches, Unerreichtes, etwas Bleibendes, etwas zum Ruhme der Intelligenz der Spezies Mensch, zum Wohle der gesamten Menschheit zu schaffen.

Es war einmal… nur so ein Gedanke!

August 2020

Titelbild: Photo by Zac Durant on Unsplash

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Die Burg

Gute Wahl, direkt am Meer. Nur im Süden endloser Kiefernwald. Ungesehen kam man bis an den Burgwall heran. Man lief Gefahr, vor Fertigstellung erobert zu werden. Die Zahl der fleißigen Hände ist begrenzt, man musste vorsichtig sein. Die Zeit drängte. Die Burgen in Sichtweite hatten Späher ausgesandt. Das Treiben blieb nicht unbemerkt.  Es gab viele Probleme: Sandiger Untergrund, wenig Steine. Das Bauholz ist nah, dennoch stand die halbfertige Burg oft ungeschützt. Es sind oft Materialien verschwunden. Das raue Klima tut der Burg nicht gut. Die Familie streikte!

Vierzehn Tage Urlaub sind einfach zu wenig für eine vernünftige Sandburg.

100 Wörter zum Thema Burg

Ingo Ebert – VHS-Kurs Januar 2020

Foto Titelbild: privat

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Das Wunder von Belek

Lange, lange ist es her, zu Zeiten der D-Mark. Öger Tours hatte zur Informationsreise an die schöne Rivera eingeladen. Es war eine schöne und interessante Woche mit vielen Besichtigungen und sogar einem Tagesausflug mit dem Boot.

Am letzten Abend gab es ein Gala-Buffet in einem 5-Sterne Hotel in Belek. Es war noch Zeit und im riesigen Hotelfoyer bot ein türkischer Schuhputzer seine Dienste an.

Mein einziges Paar Schuhe, beige Wildlederschuhe hatten arg gelitten und waren sehr staubig.

Da kam mir der Schuhputzer wie gerufen. Ich lies mich auf den Thron fallen und füllte mich wie ein Pascha. Sofort wirbelten auch schon zwei Bürsten über meinen Schuh, dass es nur so qualmte.

Wie ich noch so denke, ob diese harten Bürsten wohl meinen Wildlederschuhen guttun werden, greift er zu einer Flasche und vergisst schwarze Farbe über meinen linken Schuh.

Ein erstauntes „Ohh“ entsprang meinen Lippen, als er schon mit zwei Schwämmen die schwarze Farbe über meinen linken Schuh verteilte. Mein „Ähm?!?“ und „Hallo!?!“ nahm er wohl nicht wahr, denn nun begann er, den nun schwarzen Schuh wie wild zu polieren.

„Klasse!“, denke ich, und bewundere nun an meinen Füßen einen schwarzen Lackschuh und einen beigen Wildlederschuh! In meinem Kopf begann es nun zu rattern: Sollte ich mich jetzt aufregen und den Schaden bei der Hoteldirektion anzeigen oder wie der Schuhputzer forderte den rechten Schuh auch noch „putzen“ lassen? Wahrscheinlich war es der Schock und die eindeutige Präsenz des türkischen Schuhputzers, welcher mit seiner Arbeit sehr zufrieden schien, jedenfalls machte ich die Augen zu und lies meinen rechten Schuh ebenfalls verwandeln.

Mit einem tiefen Seufzen übergab ich dann 5,- D-Mark und hatte nun ein paar „schwarze Lackschuhe“ für den Abend!

Photo by photostockeditor on Unsplash

Zu guter Letzt verwandelte der Regen in Hamburg am Flughafen dann noch meine Lackschuhe in fleckige schwarzbraunbeige Schuhe, welche ich dann als Sondermüll entsorgen musste. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte!

Mai 2001

Titelbild: lastminute.com – Calista Luxury Resort Belek

Schweine auf der Fahrbahn

Ich fahre ungern Auto. Die Straßen sind zu voll und meist in einem saumäßigen Zustand.

Die rechte Spur ist eine unendliche Kolone stinkender Lastkraftwagen aller europäischer Länder. Die linke Spur ist voller aggressiver, drängelnder Wildschweine.

Ich gehöre weder in die linke noch in die rechte Spur. Wo die Mittelspur fehlt, bin ich ein trauriges Opfer. Ein armes Schwein in einem untermotorisierten Kleinwagen.

„Hey, mach Platz du Sau! Sonst schlachte ich Dich ab.“ Was soll ich machen? Ich bin das Ende des Staus!

Die Angst sitzt mir im Nacken. Ich hoffe, der LKW-Fahrer im Rückspiegel schneidet sich nicht gerade seine Fußnägel.

Im Autoradio sagt der Sprecher: „A1 in Richtung Hamburg nach einem Unfall sind Schweine auf der Fahrbahn.“

Recht hat er!

Titelbild:Photo by Nick Fewings on Unsplash

© 2020 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.

Das harte Leben eines Radfahrers

Endlich Frühling! Bis vor Kurzem hatte der Winter die Radwege fest im Griff. Die Radwege waren die Verlierer dieses Winters im Wettkampf der Räumfahrzeuge und der Schneeschieber-Brigaden von Gehwegreinigung und Hausbesitzer. Die Folge: ein Faltengebirge in Höhe der Voralpen mit Gletschern auf den Radwegen. Da konnte der unerbittliche Winterradfahrer nur auf die Straße ausweichen und dort schlitternd die Autofahrer ärgern, welche den Rest des Jahres sonst nie auf die Radfahrer achten. Da wurde mit aufgestauter Wut zurückgezahlt, was der leidgeprüfte Radfahrer die letzte Saison erdulden musste, wie zum Beispiel die zugeparkten Radwege, die Nichtbeachtung der Vorfahrten und das Ausbremsen durch die Rechtsabbieger.

Foto: privat

am Morgen

Dabei hat es der Radfahrer an sich schon schwer genug! Es beginnt bereits am Morgen! Der Radfahrer muss mindestens 1 Stunde früher aufstehen, als jeder andere Verkehrsteilnehmer. Die doppelt so lange Fahrzeit mal nicht mit eingerechnet! Erst muss sich der Radfahrer den Schlaf aus den Augen reiben, denn nur 100 %-ig munter kann man den tödlichen Gefahren auf dem Weg zur Arbeit trotzen und gegebenenfalls mit einer Stuntrolle den nicht zu vermeidenden Sturz abfangen. Nach dem Fitnessfrühstück heißt es, sich in die hautengen Spezialhosen aus 100 % wasser- und winddichtem Material zu zwängen. Profis schwören auf vorheriges Einölen mit Baby-Öl, das flutscht dann besser! Das Gleiche gilt natürlich auch für das knallgelbe Rennfahrertrikot mit Formaggio-Capellini-Werbung und lang gezogenem Rückenteil mit drei Taschen. Weniger sportliche und Gelegenheitsradler werfen sich nur den Regenponcho über, welcher aber einen 1000x höheren Windwiderstand und dafür nur ein halb so großes Sichtfeld auf die Straße bietet. Dann stapft man wie ein Ritter in voller Rüstung zum „Drahtesel“ um dort festzustellen, dass das Hinterrad wieder mal zu wenig oder gar keine Luft mehr hat!

Nach 10 Minuten und 2 Liter Schweiß später folgt dann die Erkenntnis, dass der Reifen von einer Glasscherbe auf dem Radweg sabotiert wurde. Gut, dass der erfahrene Radfahrer immer eine Werkzeugtasche und einen Ersatzschlauch am Mann hat! Weitere 15 Minuten später ist das Rad geflickt. Mit kettenfettverschmierten Händen wird die Tasche auf dem Gepäckträger geschnallt, der Fahrradhelm in die Ecke geschmissen und überstürzt vom Hof gefahren, um dort erst mal mit dem Kinderwagen der Nachbarin, dem Postwagen vom Briefträger oder einem Zustellwagen der „praktiker“ – Werbung zu kollidieren. Fluchend die große Beule am Kopf reibend, geht es nun endlich verspätet los in Richtung Arbeitsplatz. Dabei, wie bereits oben erwähnt, den Autos, Mülltonnen und Schulkindern auf dem Radweg ausweichend. Immer den Lenker fest im Griff, damit man bei den Löchern von ½ m in Durchmesser und Tiefe nicht vom Rad geschüttelt wird. 5 Minuten nach Arbeitsbeginn erreicht man seine Arbeit, wo man erst mal, je nach Beruf, duschen und die Sachen wechseln muss. Was tut man nicht alles für die Umwelt!

nach Hause

Nach 8 Stunden Arbeit haben sich die schmerzenden Waden und Gesäßmuskeln regeneriert und man freut sich auf den Nachhauseweg. Endlich frische Luft und stürmischer Gegenwind sowie ein zur Abwechslung mal blauer Himmel. Zack, schon hat man die erste Fliege im bebrillten Auge! Es ist schon ein Wunder, wie die das auch immer wieder schaffen, am Brillenglas vorbei direkt ins rechte Auge! Auch andere Tiere sind bei einer Kollision nicht ganz ohne! Dabei gilt, je größer das Tier, desto größer das „Aua“! Zum Glück sind Elefanten in Deutschland eher die Ausnahme. Aus eigener Erfahrung möchte ich ausdrücklich alle Radfahrer vor tief fliegenden Schwänen warnen! Geht auch schlecht von der Brille ab!

Foto: privat

Mit tränendem Auge und den Auto Smog inhalierend, kämpft sich der Radfahrer die letzte Anhöhe hinauf. Wieso fährt man eigentlich immer nach Hause berghoch und hat Gegenwind??? Und wo ist der blaue Himmel geblieben??? Egal, man ist sowieso schon nass! Er erreicht den Hof mit Müh und Not, fällt vom Rad und ist ….nein, endlich zu Hause! Wieder duschen, die Sachen in die Waschmaschine, anschließend in den Trockner und die schmerzenden Glieder mit einer Rheumasalbe einschmieren! Voller Stolz mal wieder was für die Umwelt und für die Gesundheit getan zu haben, sinkt man auf das Sofa nieder und trinkt ein Hefeweizen (isotonisches Fitnessgetränk)! Nach einem solchen harten Tag ist es auch nicht verwunderlich, dass man zu Hause nun nix mehr tun kann und sich erst mal erholen muss! Das m u s s die Familie verstehen! Und beim Einschlafen träumt man von einem Mofa oder einer Umweltkarte für den Bus!

Foto: privat

Ostern 2010

© 2020 Ingo M. Ebert Titelbild: Foto (privat)
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Das große Abenteuer – DB

Ja, es gibt sie noch, die großen Abenteuer im Zeitalter der Technik im 21. Jahrhundert! Zum Beispiel die Bahnreise gerade im Zeitalter von ICE, supermodernen Bahnhöfen, Gepäckträgerservice, Call a Bike und DB Carsharing! Ich sage nur, wer mutig genug ist, eine Ausbildung im Nah- und Überlebenskampf absolviert hat, sportlich top fit ist und die englische Sprache beherrscht – der soll es wagen und ein unvergessenes Abenteuer ist die Belohnung. Und mit meinen Insider-Tipps ist es fast ein Kinderspiel. Doch erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

Für jede Reise benötigt man ein gültiges Reisedokument. Bei der Deutschen Bahn hat man die Qual der Wahl: Man stellt sich in einem der wenigen DB Reisecenter an, um nach mehr als einer halben Stunde ein überteuertes ICE-Ticket zu kaufen. Alternativ kann man auch solange am DB-Automaten auf den Touchscreen tippen, bis einem die Finger abfallen oder der Automat den Geist aufgibt, oder man kauft sein Ticket im Internet. Die Variante des Nachlösens im Zug bzw. das „Schwarz fahren“ sei hier noch der Vollständigkeit halber erwähnt.

Als fortschrittlicher Mensch entscheidest Du Dich für das „Online-Ticket“, schließlich hast Du ja DSL und WLAN. Also den Laptop rausgeholt und nur 15 Minuten und zahllosen Updates später hast Du über Deinen Internetexplorer die Seite der Deutschen Bahn AG geöffnet. Die Strecke eingegeben, das Datum angeklickt, Bahncard oder nicht gewählt und die Suche nach der schnellsten und teuersten Verbindung (immer mit einem ICE) beginnt. Die Hinfahrt mit obligatorischem Umstieg markiert und der Normalpreis sowie ein Dauerspezial-Preis werden angezeigt. Nun noch locker die Rückfahrt auswählen, auf „Buchen“ klicken und der Reise steht nichts mehr im Wege! Ha, von wegen, der Dauerspezial- Preis ist auf einmal nicht mehr verfügbar und die Alternative (mit 7 Stunden Aufenthalt auf einem Provinzbahnhof) unzumutbar! 

Ach was soll´s, den teuren Normalpreis angeklickt und weiter geht es! Nun gilt es die schwierige Frage zu lösen, ob man bereit ist, auch noch 5,-€ pro Richtung für eine Sitzplatzreservierung auszugeben oder eventuell 6 Stunden auf dem Gang oder vor der WC-Tür zu verbringen. Die Vernunft siegt! Die Reservierung markiert und auf „Weiter“ geklickt. Jetzt geht es ans Bezahlen. Lastschrift oder Kreditkarte? Karte suchen, Zahlen eintippen und erstaunt feststellen: „Oh, ich bin schon seit einer halben Stunde damit beschäftigt und immer noch nicht fertig!“ Eine Karte zur Identifizierung eintippen, den Drucker noch anschließen, Patrone wechseln, Papier suchen und den Adobe Acrobat Reader laden. Eine weitere halbe Stunde später ist das „DB-Online-Ticket“ fertig. Die unendlichen Weiten der Schienenwelt liegen Dir nun zu Füßen!

Freudig erregt stehst Du am nächsten Tag 20 Minuten früher auf dem Bahnhof, um festzustellen, dass Dein Zug wegen „Störung im Betriebsablauf“ ca. 15 Minuten später ankommt.

  • Insider-Tipp: Nutze die Zeit, um Dich mit Getränken, Verpflegung und Lesematerial einzudecken! Selbst die 0,5 l Flasche Wasser für 1,50 € ist auf dem Bahnhof immer noch billiger als im Zug.

Nach ca. 15 Minuten, also auf die Minute genau 25 Minuten, kommt schon der Zug!

  • Insider-Tipp: Überprüfe vor dem Einsteigen, ob es tatsächlich Dein verspäteter Zug ist und nicht der ca. 60 Minuten verspätete Zug in eine ganz andere Richtung, welcher entgegen der Ankündigung am falschen Gleis einfährt!

Und? Glück gehabt, war es Dein Zug? Dann nichts wie rein, über Koffer und Kinderwagen im Eingangsbereich steigend, zu den freien Plätzen stürzend, denn von der anderen Seite drängen schon die anderen in Massen in den Waggon.

  • Insider-Tipp: Wenn Du die ganz große Herausforderung suchst, dann steige mit Deinem Großraumkoffer am falschen Ende des Zuges ein und kämpfe Dich dann Waggon zu Waggon zu Deinen reservierten Plätzen vor, wo Du dann auch noch die bereits falsch sitzenden Passagiere hochjagen kannst!

Hat sich das nun entstandene Knäuel nach fast 20 Minuten aufgelöst, ist es an der Zeit, den Koffer mitten im Gang nach den Getränken, Essen und Zeitungen zu durchwühlen oder das WC als weiteres Highlight aufzusuchen.

Photo by Markus Winkler on Unsplash

Das war doch für den Anfang nicht schlecht, oder? Erschöpft? Macht nichts, Du kannst Dich ja jetzt in Ruhe erholen, während der Zug auf freier Strecke nun schon seit einer dreiviertel Stunde steht, weil „das davor liegende Gleis noch belegt“ ist. Wenn es ein Mensch war, dann kann es bis zu 4 Stunden dauern. Nicht ganz so lange dauert der Lokschaden, da die Ersatzlok, in Bereitschaft stehend schneller, also nach 2 Stunden, schon da ist und den liegen gebliebenen Zug in den nächsten Bahnhof schleppt.

Die Getränke schon alle? Ich hatte Dich gewarnt! Aber der Besuch des Bordbistros hat ja auch seinen Reiz, vor allem einen finanziellen.

Der Zug rollt wieder, jetzt hat man vielleicht auch das Glück, dass der Zugbegleiter durch den Zug geht. Aber Vorsicht! Verlässliche Auskünfte zu den verspäteten Anschlusszügen kann er auch nicht geben.

  • Insider-Tipp: Falls der Schaffner tatsächlich kommen sollte, verhalte Dich ruhig. Auf keinem Fall schimpfen oder einen Verspätungsgutschein einfordern. Lieber den nicht entwerteten DB-Fahrschein zur Erstattung einsenden und mit 15,-€ Bearbeitungsgebühr erstatten lassen. Dabei kommt unterm Strich mehr raus als die 20 % vom Fahrpreis als Verspätungsgutschein. Falls es Dir nicht auf das Geld ankommt und Du den „Teamchef vom IC“ auf seine Servicebereitschaft und Freundlichkeit testen willst, dann sprich ihn ruhig an.

Beachte: Es besteht berechtigte Gefahr für Leib und Seele!

Der Umsteigepunkt ist nun erreicht. Dein Abenteuer geht in die nächste Runde. Wieder über Koffer und Kinderwagen steigend kämpfst Du Dich zum Ausgang, welcher sich nicht öffnet. Zu spät siehst Du den Aufkleber „ Tür außer Betrieb“. Keine Panik! Meistens ist die Tür vom Nachbarwaggon funktionstüchtig. Wie gesagt, meistens!

Photo by Markus Winkler on Unsplash

Endlich auf dem Bahnsteig bleibe am besten unmittelbar vor dem Ausstieg mit Deinem Schrankkoffer abrupt stehen. Das freut die noch aussteigenden Mitreisenden und man kann die üppige Oberweite der aufgetakelten Blondine im Rücken spüren.

  • Insider-Tipp: (für Männer) Schon vor dem Ausstieg unbedingt klären, ob tatsächlich die hübsche Blondine hinter Dir steht und nicht der bullige 2-Meter-Typ mit der halb vollen Schnapsflasche!

Der Anschlusszug geht in der Regel nie vom Bahnsteig gegenüber und die Rolltreppen sind entgegengesetzt der gewünschten Richtung eingestellt oder defekt. Was ist mit dem Gepäckträger-Service? Fehlanzeige! Also zu Fuß der Blondine oder dem stinkenden 2-Meter-Typen hinterher die Treppe rauf.

Beim Einstieg in den Anschlusszug hast Du ja nun schon Routine! An die Getränke gedacht?

  • Insider-Tipp: Nutze die Automaten, wenn sie funktionieren, auf dem Bahnsteig. Dafür brauchst Du 1,50 € passend in Hartgeld, welches Du Dir schon zu Hause in die Manteltasche stecken solltest. Falls nicht benötigt, kannst Du es ja auch einem der zahlreichen Bettler in die Hand drücken.

Deinen Platz erreicht? Super, jetzt kommt die nächste Herausforderung für Dich! In Deinem Waggon sitzt eine Klasse pubertierender Jugendlicher, ein weiblicher Kegelverein oder eine Junggesellen-Abschiedshorte mit diversen Getränkekästen und dem Alkoholspiegel angemessenem Lärmpegel. Ein Blickkontakt oder eine Bemerkung genügt, und Du bist Gesprächsmittelpunkt oder das Ziel anzüglicher Bemerkungen und „Liebesbeweise“. Toll, stimmt’s? Ich hatte nicht zu viel versprochen, oder? Nun kommt Phase 2! DJ Ötzi, Wolfgang Petry und Christine Stürmer sind nun „Live“ im Zug. Fast, zumindest die Lautstärke ist identisch!

  • Insider-Tipp: Bewährt haben sich hier Ohrstöpsel aus dem Schwermetallbau, autogenes Training, progressive Muskelentspannung und einfach den Waggon wechseln! Zusätzlich empfehle ich die „Senk ju vor träwelling“  von Mark Spörrle als Entspannungslektüre.

Beachte: Bei der Suche eines neuen Sitzplatzes setze Dich neben dicke, schwitzende und stinkende Leute! Das erhöht den Stressfaktor und sorgt auch noch später für eine intensive Erinnerung an Dein Abenteuer.

Und wem das alles noch nicht ausreichend und hart genug ist, dem empfehle ich: Kündigt Eure Wohnung und kauft eine Bahncard 100, inklusive Zutritt zu den DB-Loungen, dort finden Reisende alles, was den Aufenthalt so angenehm wie möglich macht: elegante Sitzlandschaften, stilvolles Ambiente, aufmerksamen Service und manchmal sogar eine Dusche.

Ich wünsche viel Spaß und schöne neue Abenteuer. (Foto: Privat)

November 2011

© 2020 Ingo M. Ebert Titelbild: Foto (privat)
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