Mission Solar Championship Football

Liebe Leser, das Jahr 2091 wird in die Geschichte eingehen.

Da bin ich mir sicher. Ich sitze im Emirates-Shuttle zum Mond. Erst heute wurde die Frequenz zwischen Dubai-City und Lunai-City auf zweimal täglich erhöht. Der Bedarf war sprunghaft angestiegen, nachdem Dubai die nicht verkauften Luxushäuser und Wohnungen seinen Angestellten und Mitarbeitern kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Es ist alles inklusive, sogar die Mitgliedschaft im größten Fitnesscenter des Mondes. Nein, ich habe leider keine Immobilie auf dem Mond erhalten.

Dieses Mal bin ich aufgeregt, wie nie zuvor, obwohl es nicht meine erste Dienstreise zum Mond ist. Wird mich der 1. Administrator empfangen und was noch viel wichtiger ist, wird er von meiner Idee begeistert sein?

Ich muss etwas ausholen, damit die Tragweite meiner Reise allen Lesern bewusst wird.

Rückblick

Die Welt hat sich in den letzten siebzig Jahren sehr verändert. Der immer noch andauernde Handelskrieg zwischen den USA und China hat die beiden ehemaligen Industrienationen an den Rand der Katastrophe gebracht. Dieses Machtvakuum nutzten Indien und die neu gegründete Afrikanische Union zu ihrem Vorteil. Die Welt ist neu aufgeteilt. Europa ist als Kolonie Afrikas nun das Armenhaus der Welt. Bewaffnete Konflikte, Hunger und Krankheiten lassen die Einwohner nicht zur Ruhe kommen. Flüchtling-Ströme in Richtung Osten sorgen für ein Ausbluten des Kontinents, während Indien weite Teile Asiens beherrscht. Nord- und Südamerika sind von Grönland aus in das dänische Königreich integriert worden. Die Vereinigten Arabischen Emirate verhalten sich neutral und sind darüber hinaus, führend in der Erschließung des Sonnensystems. Der Streit und Neid zwischen den Völkern haben immer noch nicht aufgehört.

Die überforderten Regierungen schüren weiter diese Zwistigkeiten, um von ihren Unfähigkeiten, die Probleme zu lösen, abzulenken. Aber es gibt auch Gutes zu berichten, wie zum Beispiel der gelebte globale Umweltschutz oder die Besiedelung des Mondes.

Foto: Lunai-City (privat)

Der Grundstein wurde 2020 gelegt, als die VAE ihre erste Mondmission startete. Inzwischen ist Lunai-City doppelt so groß wie Dubai-City. Die Bauwerke sind dank der geringen Schwerkraft auf dem Mond noch höher und futuristischer als auf der Erde. Die Architekten wollen alles auf der Erde jemals Gebaute in den Schatten stellen.

Lunai-City

Der 1.Administrator ist der älteste Sohn des Scheiches von Dubai. Er regiert die Stadt mit großer Umsicht und Gerechtigkeit. Seine zweite Leidenschaft nach dem Kamelrennen ist, was die wenigsten wissen, das Fußballspiel. Da werde ich ansetzen. Die letzte Fußball Großveranstaltung war die Weltmeisterschaft 2022 in Qatar. Danach gab es zwar viele weitere Versuche, eine Weltmeisterschaft erneut auszurichten, aber sie scheiterten immer am Geld, an den Gesundheitsvorschriften, an der Uneinigkeit der Länder sowie Verbände oder an allen dreien.

Die regen Bautätigkeiten und der erhöhte Verkehr im stellaren Raum waren bei den Nachbarn auf dem Mars und der Venus nicht unbemerkt geblieben. Bevor die Menschen, die sich seit Generationen gut versteckten Mars-Männchen aufspürten, entschlossen sie, selbst den ersten Kontakt herzustellen. Und ein halbes Jahr später, als die vermeintliche Katastrophe in den planetaren Beziehungen ausgeblieben war, meldeten sich die ausschließlich weiblichen Bewohnerinnen der Venus. Von diesen Schock hatten sich die Menschen nicht so schnell erholt. Auf einmal waren wir nicht mehr allein im Sonnensystem. Selbst auf dem Jupiter und dem Saturn gab es humanoides Leben.

Doch eine Sache wurde auf allen Planeten des Sonnensystems schnell zum Volkssport, der Fußball.

Wer hätte das gedacht!

Die Wundertechnik der Fußball-Arenen konnte zwar jede Atmosphäre und Gravitation der einzelnen Planeten nachempfinden, aber nicht miteinander mischen.

Deshalb hat jeder Himmelskörper nur seine eigenen Ligen. Keiner spielte gegen die anderen. Die Venus hat nur Frauen-Mannschaften. Es gibt zwar einzelne Gastspiele mit hohem Unterhaltungswert. (Wer schon mal die Riesen vom Jupiter hat spielen sehen, versteht, was ich meine.) Aber es gibt keine Sonnensystemliga oder Meisterschaft.

Die Idee

Und genau das will ich dem 1. Administrator schmackhaft machen. Die erste Sonnensystem–Meisterschaft im Jahre 2121. Ja, ich weiß, das ist noch lange hin, aber man bedenke die umfangreiche technische Vorbereitung und die Einigung auf ein allseits akzeptiertes Reglement. Zusätzlich kommen dann die vorbereitenden Spiele zur Qualifikation der sieben Mannschaften von jedem einzelnen Planeten dazu. Ich hatte mir sieben Mannschaften überlegt, wegen der Kontinente auf der Erde. So hat jeder Kontinent die Möglichkeit seine eigene Meisterschaft auszutragen, um die begehrten Plätze in der Solar Championship Football zu ergattern. Außerdem verspreche ich mir persönlich davon, dass die Welt im sportlichen Wettkampf um die Teilnahme an den Endspielen befriedet werden könnte.

Das absolute Highlight wird das gigantische Endspiel auf dem Mond in Lunai-City sein und die damalige Weltmeisterschaft in Qatar um ein Vielfaches an Glamour überflügeln.

Mein Chef ist von dieser Idee so begeistert, dass er mir sogar einen Flug in der First-Class gebucht hat. Das er die exklusiven Übertragungsrechte haben will, versteht sich von selbst.

Flug zum Mond

Der Flug zum Mond ist für mich immer noch spektakulär. Ich buche stets einen Fensterplatz, damit ich den Moment, wenn wir die Lufthülle verlassen, beobachten kann. Dann bin ich wie betäubt von der Schönheit unseres Planeten. Mitte des 20. Jahrhundert hatten wir ihn fast zerstört. Es waren die Kinder in dieser Epoche, welche nicht mehr tatenlos zusehen wollten, wie die Eltern die Erde misshandelten. Gerade noch rechtzeitig, denn es war damals allerhöchste Zeit.

Photo by WILLIAN REIS on Unsplash

Ich nutze die Phase des Fluges, mich auf das Gespräch vorzubereiten. Welche Fragen würde der 1. Administrator stellen? Welche Gegenargumente gilt es zu entkräften. Die Kosten würden keine Rolle spielen, da bin ich mir sicher. Eher gibt es technische Bedenken. Wie kann man ein faires Spiel der von Natur aus unterschiedlichen Körpergrößen garantieren Welche Atmosphäre und welche Gravitation Stärke wäre für alle Planeten akzeptabel?

Die Frage aber, die jeden bewegt: Wie kommt man auf so eine Idee?

Das ist schnell erzählt. Mein Freund Eugen und ich schauen oft zusammen im Pub Fußballspiele. Vor einem halben Jahr sahen wir ein Deutschland-Spiel im Nationencup. Die Mannschaften spielten so unterirdisch, dass ich mich zu folgender Aussage hinreißen ließ: selbst eine Regionalliga-Mannschaft auf dem Mars würde den letzten und aktuellen Weltmeister schlagen. Das wollte und konnte Eugen einfach nicht im Raum stehen lassen. So ist die Idee der Solar Championship Football entstanden.

Nächste Woche fliege ich zur Venus. Da gibt es noch viel zu tun, um die Kanzlerin von dem Projekt zu überzeugen.

Oktober 2020

Titelbild: Photo by Michael on Unsplash

© 2021 Ingo M. Ebert
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