ein kleiner politischer Diskurs
Es klingelt an der Wohnungstür. Wer zum Teufel wagt es meinen wohl verdienten Feierabend zu stören?
Ich reiße die Tür auf. Mein junger Nachbar steht in voller Guerilla-Montur davor und schaut mich fragend an. „Haste Eier?“
Ha, denke ich, er will mal wieder provozieren. Er ist ein Greenpeace-Aktivist, keine Umweltdemo oder – Aktionen ohne ihn. Wir hatten schon so manche hitzige Diskussion im Hausflur oder am Müllcontainer. Doch nun versucht er meine letzte Bastion, meinen Rückzugsort, meine Wohnung zu stürmen.
„Respekt“, sage ich, „komm rein.“ Drehe mich um und gehe voraus ins Wohnzimmer. Er folgt mir nun unsicher. Meine Reaktion hatte er sichtlich nicht erwartet.
In meiner Wohnung bestimme ich die Themen und lege sofort los: „Die Globalisierung und ihre Auswirkungen auf die Bauern, ob Großbauer oder Öko-Landwirt sind unbestritten. Ob die gesetzlichen Vorgaben am Schreibtisch in Berlin völlig weltfremd und realitätsfern getroffen dazu beitragen, die verfahrene Situation zu entschärfen, bezweifele ich.“
„Hm.“
…
Es folgen ein vierstündiger Monolog, ohne eine Unterbrechung zu zulassen, über die Jäger und Sammler, der Ackerbau im Feudalismus, den Dreißigjährigen Krieg, die Industrialisierung der Landwirtschaft Anfang des 19. Jahrhunderts, die Großtierhaltung in heutiger Zeit, die fleischverarbeitende Industrie, den CO2-Ausstoß, Vegetarier und Veganer, über die Discounter und das Konsumverhalten der Endverbraucher.
„Aber ich werde nie und nimmer auf mein Fleisch auf dem Grill verzichten. Da kannst du noch so oft mit mir diskutieren, wie du möchtest.“, beende ich von mir selbst beeindruckt meine Rede. So schnell wird er mich nicht mehr belästigen. Punktsieg für mich!
„Ähm, auch wenn ich nicht mit allen Punkten mit dir übereinstimme, können wir das für heute unterbrechen? Ich bin ziemlich fertig, komme gerade aus Berlin, mein Kühlschrank ist leer, habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Haste ein paar Eier?“
Februar 2021
Titelbild: Photo by Markus Spiske on Unsplash
© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.