Zu Besuch bei der Feuerwehr
Was bisher geschah…
Mein Name ist Levi und ich wohne in einem Haus am Rande der Stadt. Ich bin ein Kater und stolz auf meine edle Herkunft als Rassekatze. Bis auf die Besuche beim Tierarzt hatte ich das Haus noch nie verlassen. Doch plötzlich stand das Fenster weitoffen. Ich zögerte nicht lange und bin einfach rausgesprungen.
Das war der Beginn meiner abenteuerlichen Reise.
Zuerst lief ich durch einen wilden Wald. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wer da so alles wohnt. Danach kam ich zu einem Bauernhof, wo es noch viel mehr unbekannte Tiere gab. Aber alle waren sehr nett und lieb. Dort habe ich meinen neuen
Freund kennengelernt. Er heißt Amigo und ist ein kleines Pferdchen. Beim Abschied habe ich ihm versprochen zurückzukommen und ihm alles von meiner Reise zu berichten.
Es wird langsam dunkel. Was war das für ein aufregender Tag. Ich bin erschöpft und hungrig. Seit dem Morgen habe ich nichts mehr gegessen. Ich entferne mich immer weiter vom Bauernhof und
nähere mich dem ziegelroten Gebäude mit dem kleinen Turm. Mein Bauch beginnt vor Hunger immer heftiger zu zwicken.
Wie gerne wäre ich jetzt daheim… plötzlich sehe ich meinen blauen Fressnapf voll mit Köstlichkeiten… mir läuft das Wasser im Mund zusammen.
Ich schlucke die Spucke runter, zack, kein Napf mehr zu sehen. Komisch. Hier draußen gibt es nichts außer Gras zu fressen.
Lustlos kaue ich auf einem Grashalm herum. Mein Freund Amigo hatte das auch gegessen. Auch wenn das Gras süßlich schmeckt, mag ich es nicht.
Fleisch, Fisch oder Käse sind die Leckereien, die mir schmecken und satt machen. Doch das Knurren meines Magens lässt zum Glück etwas nach.
Das Feuerwehrhaus
Ich gehe hungrig weiter bis zu dem Gebäude mit dem hohen Turm und den riesigen Türen. Wer hier wohl wohnt? Riesen vielleicht? „Schnickschnack, die gibt es nur in Märchen.“ Es ist niemand zu sehen.
Die Tore sind fest verschlossen, kein Spalt zum Reinschlüpfen. Ich schleiche vorsichtig um das Haus. Was ist das? Dort steht ein großer Fressnapf mit leckerem Essen. Der Duft haut mich um. Das muss das Katzenparadies sein. Oder ist das etwa wieder eine Täuschung?
Der Napf ist echt und steht an der halbgeöffneten Tür zum Turm. Ich überlege nicht lange, denn mein Bauch knurrt inzwischen fürchterlich. Ich schlinge die großen Fleischbrocken herunter. Was für ein Festessen! Die Hälfte des Napfes ist leer, als ich ein scharrendes und grollendes Geräusch höre. Ein haariges Tier, etwa so groß wie ich, kommt an der Häuserwand näher.
Oh, oh, schnell schlüpfe ich durch die Tür in den Turm und laufe die vielen Treppen bis ganz nach oben. Zum Glück folgt mir der unbekannte Vierbeiner nicht.
Nun schaue ich mich genauer um. Links von mir baumeln lange, rote Schläuche von der Decke bis fast zum Boden. Rechts von mir sind kleine
Nischen mit Schränken und Regalen. Dort liegen silberne Metallspitzen, Rohrstücke, graue Decken und allerlei unbekannte Teile. An den Wandhaken hängen dicke, schwere Mäntel zum Trocknen.
Darüber gelbe Helme. Das sind mit Sicherheit die Sachen der Bewohner dieses Hauses. Solche Kleidung habe ich zu Hause noch nicht gesehen.
Vielleicht doch Riesen? Ich lausche in die zunehmende Dunkelheit.
Nichts! Ich bin allein. Ich atme tief durch. Angst habe ich nur noch ein
bisschen. Auf einmal bin ich todmüde. Im Stehen fallen mir fast die Augen zu. Ein bequemes Plätzchen zwischen den Decken im Regal habe ich schnell gefunden. Ich schlafe erschöpft ein.
Es raschelt und wuselt in der Dunkelheit. Augenblicklich bin ich hellwach. Ohne mich zu bewegen, schaue ich konzentriert zum Treppengang.
Ich kann trotz Dunkelheit alles perfekt sehen. Da!
Ich bemerke einen wuscheligen braunen Schwanz.
Dann zwei Pfoten, die aber gleich wieder verschwinden. Die Schläuche fangen an zu wackeln.
Wer kann das sein? Am Klappern, Rascheln und Schmatzen kann ich erkennen, dass es sich um zwei Tiere handeln muss. Nun haben sie mich auch entdeckt und nähern sich mir schnüffelnd.
Die Marder Felix & Flo
Ich spanne meine Muskeln an und bin bereit zum Sprung.
„Hallo! Was machst du denn hier?“, fragt der Unbekannte mit dem hellbraunen Fell freundlich. „Wie kommst du hier rein, an dem alten Erwin vorbei?“,
fällt ihm der Zweite mit dem dunkelbraunen Pelz ins Wort. Da ein sicherer Abstand zwischen uns ist, entspanne ich mich etwas. „Wer ist Erwin? Und
wieso seid ihr dann hier?“, frage ich keck zurück.
„Erwin ist der alte Dackel, der Wachhund der Feuerwehr. Auch wenn er schon grau ist, muss man höllisch aufpassen, der versteht keinen Spaß“, antwortet der Erste. „Trotzdem sind wir Steinmarder regelmäßig zu Besuch hier“, bestätigt der Zweite.
„Wir lieben es, auf den Schläuchen herumzukauen!“, kommt es wie aus einem Mund. Die beiden Marder grinsen bis zu den Ohren. „Wir wohnen hier gleich um die Ecke. In einem verlassenen Kaninchenbau, direkt neben der Weide und der Baustelle.“
Steinmarder hatte ich bisher noch nie getroffen, sie sehen aber auch lustig
aus, mit ihrem langgestreckten, schlanken Rumpf
und kurzen Füßchen. Im Vergleich dazu ist der Schwanz ziemlich lang und buschig. „Wollen wir Freunde sein?“, frage ich, selbst erstaunt über so
viel Mut. „Warum nicht, wir sind Felix und Flo. Und wie heißt du?“ „Man nennt mich Levi, der Abenteurer!“, prahle ich ein wenig. Die beiden Marder lachen verschmitzt. „So, so, Levi der Abenteurer!“, wiederholen sie gemeinsam. „Schön dich kennenzulernen.“
Die Marder erzählen von ihrem Abenteuer mit dem Bagger auf der Baustelle. „Ich war in einem richtigen Wald und auf einem Bauernhof“, beschreibe ich meine Erlebnisse. Jeder ist erstaunt über den Mut des Gegenübers.
„Willst du uns nicht mal besuchen kommen?“, fragt Felix. „Selbstverständlich, sehr gerne sogar. Wenn ich es nicht vergesse“, schmunzele ich.
Danach schleichen sich Felix und Flo zurück, vermutlich in ihre gemütliche Höhle.
Wie lange ich dann noch geschlafen habe, weiß ich nicht. Es ist schon hell und mein Magen knurrt schon wieder so laut, als hätte ich ein Ungeheuer im Schlaf verschluckt. Da fällt mir der Fressnapf
vor der Tür zum Turm wieder ein. Genau! Ob da noch etwas zu holen ist.
Vorsichtig, Schritt für Schritt, taste ich mich die Treppe nach unten.
Die Tür ist immer noch leicht angelehnt. Ich spähe hinaus und blicke direkt auf einen vollen Futternapf mit köstlichem Fleisch. Kann das wahr sein?
Ich schließe kurz die Augen, um sie gleich wieder aufzureißen. Der Napf steht immer noch da. Sonst ist niemand zu sehen. Ein Wunder! Mit dem Kopf stoße ich die Tür weiter auf und stürze mich auf das Essen. Kaum habe ich die ersten Bissen im Mund, da höre ich auf einmal hinter mir eine unbekannte Stimme: „Habe ich dich, du Futterräuber!“
Erschrocken drehe ich mich um. Der Unbekannte hinter mir lacht laut auf, als er die Fleischreste in meinem Fell baumeln sieht. „Du siehst aus wie
eine frisch geöffnete Futterdose!“ Oh Schreck!
Das ist sicher der Wachhund Erwin, der keinen Spaß versteht.
Am nächsten Morgen
Ich bereite mich auf einen fürchterlichen Kampf vor, fahre meine Krallen aus und mache einen Buckel. Aber der Hund bleibt ganz
ruhig und schaut mich mit seinen braunen Dackelaugen friedlich an.
„Entschuldigung!“, murmele ich. „Ich habe doch so großen Hunger“, nuschelt mein voller Mund.
„Ach, du Armer. Iss ruhig, ich hole mir später noch
etwas vom Ortsbrandmeister Ebke. Er gibt mir immer das Futter, schließlich bin ich Dackel Erwin, der Wachhund der Feuerwehr.“
Kopfschüttelnd beobachtet er, wie ich das Essen in mich hineinschlinge.
„Wer bist du und woher kommt so ein hungriger
Kater?“, will Dackel Erwin nun wissen. Ich erzähle
ihm meine Geschichte, ohne die Marder zu erwähnen. Nicht, dass es noch Ärger gibt. Der Hund hört aufmerksam zu und wiegt dabei seinen Kopf leicht hin und her. „Was für eine abenteuerliche Geschichte. Ich dachte zuerst du bist der Bösewicht, der unsere Schläuche zerbeißt. Nun komm, ich
zeige dir die Feuerwache, die Gerätschaften und das Feuerwehrauto!“
Er dackelt dabei in Richtung der großen Tore.
Frisch gestärkt und sauber geleckt, flitze ich mutig hinterher.
Durch eine kleine Klappe schlüpfen wir beide in das Gebäude und stehen direkt in der Halle. Auch hier sind die Wände voll mit allerlei Geräten, Seilen und Schläuchen. In der Garage stehen zwei große rote Autos, eines mit Leiter und eines mit einem riesigen Schrank und grauen Rollos. Erwin zeigt und erklärt mir alles ausführlich. Wofür man eine Drehleiter braucht und was in den Schrankkästen steckt.
Dann präsentiert er voller Stolz die Fotos an der Wand. Dort sind viele unterschiedliche Männer und Frauen zu sehen, aber immer mit Erwin, dem Dackel in der Mitte.
„Und jetzt zeige ich dir, wo man das Blaulicht und
das Signalhorn einschalten kann.“ Erwin klettert zur offenen Fahrertür hinein und ich springe hinterher.
In diesem Augenblick geht die Sirene auf dem
Hausdach los. „Das ist ein Feueralarm“, kommentiert Dackel Erwin den Krach.
Der erste Einsatz
„Na dann mal los, das wird dein erster Einsatz. Bist du bereit Kater Levi?“
Ich nicke etwas unsicher. Wir springen auf die hinteren Mannschaftssitze. Da kommen schon die ersten Männer angerannt. Wir rutschen weiter
in die Ecke, um Platz zu machen. Alles geht sehr schnell. Die Feuerwehrmänner springen in die Fahrzeuge.
Erwin flüstert mir zu: „Schau mal, der Mann mit der gelben Weste, das ist unser Ortsbrandmeister Ebke. Er leitet den Einsatz.“
Der Ortsbrandmeister begrüßt kurz Erwin. Dann stutzt er und schaut mich verwundert an. Aber nun ist keine Zeit für Fragen, denn schon öffnen sich
die Tore automatisch.
Mit Tatütata und Blaulicht fahren die beiden Einsatzwagen vom Hof. Über Funk erfährt der Einsatzleiter, Ortsbrandmeister Ebke, wohin die Fahrt
geht. Es brennt die Wiese bei dem Kiefernwäldchen direkt neben dem Bahnhof. Das ist eine Katastrophe. Wenn es nicht rechtzeitig gelöscht wird,
kann auch der Wald und der Bahnhof abbrennen.
Damit das nicht passiert, fahren die Feuerwehrautos so schnell sie können und alle anderen Autos machen Platz auf der Straße. Neugierig luge ich aus dem Seitenfenster. Die Häuser und Bäume
flitzen nur so vorbei. Unglaublich, denke ich, dass es bei dieser Geschwindigkeit keinen Zusammenstoß gibt. Ich habe beim Toben oft die Kurve nicht geschafft und bin mit Stuhlbeinen schmerzhaft zusammengestoßen.
Nun halten die beiden Feuerwehrautos mit einem kräftigen Ruck an. Die Türen fliegen auf und alle Männer springen sofort raus. Dackel Erwin und ich hüpfen als Letzte hinterher.
Dann bemerke ich die brennende Wiese. Oh je, das Feuer sieht wirklich schlimm aus. Die Männer sind gut trainiert und jeder Handgriff sitzt. Die hellroten Feuerwehrschläuche werden ausgerollt und
mit den silbernen Rohrstücken verbunden. Das eine Ende des Schlauches wird an einer roten Eisensäule befestigt.
„Das ist ein Hydrant“, erklärt Erwin. „Das Löschwasser kommt aus der großen Wasserleitung der Stadt.“ Zwei Feuerwehrmänner halten am anderen Ende vom Schlauch die spitze Düse. Das Wasser zischt aus der Spritze und landet in einem hohen Bogen auf der brennenden Wiese. Weitere Schläuche werden ausgerollt. Von zwei Seiten wird die brennende Wiese mit Löschwasser besprüht.
Wie bei einem heftigen Gewitter stürzen nun viele dicke Tropfen auf die Flammen.
Wo eben das Feuer noch brannte, steigen kleine Dampfwolken in den Himmel. Ob so die Wolken am Himmel entstanden sind, frage ich mich. Während die Feuerwehrmänner das Feuer löschen, passen wir auf. Erwin knurrt die neugierigen Zuschauer an, die mit ihren Handys filmen. Niemand soll die Arbeiten behindern. Ich kann nur fauchen. Das scheint aber niemanden zu stören. Vielmehr schauen die wenigen Passanten erstaunt auf uns.
„Macht endlich Platz, husch, husch!“, schreie ich die Leute an. Erschrocken treten sie ein Stück zurück. Ob die Menschen mich verstanden haben? Wer weiß? Zum Glück ist der Brand schnell gelöscht.
Der Wald und der Bahnhof sind nicht in Gefahr gewesen. Das ist noch einmal gut gegangen. „Das waren bestimmt wieder unvorsichtige Menschen“, stellt Dackel Erwin sachlich fest. „Eine weggeworfene Zigarette ist bei dieser Trockenheit sehr gefährlich, das weiß doch jedes Kind.“ Ich kenne keine Zigaretten. Aber es müssen schlimme Dinge sein, wenn sie so ein großes Feuer verursachen können.
Der Einsatzleiter Ortsbrandmeister Ebke befiehlt den Abmarsch zurück ins Feuerwehrhaus. Die Ausrüstung muss nun gereinigt und getrocknet werden. Ich möchte am Bahnhof bleiben, wenn ich schon einmal hier bin und mich genauer umsehen.
Abschied von Dackel Erwin
Ich verabschiede mich von Erwin: „Es wird Zeit, ich möchte weiter die Welt erkunden.“
Dackel Erwin ist traurig. „Du wärst sicher ein guter Kamerad für unsere Truppe“, schnieft er. Ich tröste ihn: „Die Feuerwehr ist für mich viel zu gefährlich,
da kommen bestimmt andere freiwillige Helfer.“
Alle Männer sitzen schon auf ihren Plätzen und warten auf die Abfahrt. Der Ortsbrandmeister gibt uns beiden schnell noch ein Leckerli zum Dank für den Einsatz. Dann steigt Dackel Erwin mit ihm in das Fahrerhaus. Sie winken kurz zum Abschied und die Feuerwehrautos biegen um die Ecke. Ich bin wieder allein, zumindest für den Moment.
November 2021
Titelbild: Illustration Andrea Schramek (andi-art-love), Wien
© 2021 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.
Fortsetzung : Kater Levi und seine Abenteuer:
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