Albtraum Tiefgarage
Draußen ist es hell. Die Woche hatte ganz normal begonnen. Ich muss heute nicht zur Arbeit, habe frei, keine Termine.
Ich gehe ohne Jacke in die Tiefgarage unseres Hauses, wahrscheinlich wollte ich etwas aus dem Auto holen. Auf dem hinteren Parkplatz steht mein weißes Cabrio. Es müsste mal wieder gewaschen werden. Meine Gedanken schweifen ab. Auf dem weißen Lack sieht man jedes Staubkörnchen. Wie ich das hasse.
Inzwischen bin ich bei dem Auto angekommen und greife mit der linken Hand nach der Fahrertür. Aus dem Augenwinkel sehe ich ein kleines schwarzes Teil so groß wie eine Spraydosenkappe unter das Fahrzeug rollen. Ich denke, hast du die Kappe vom Imprägnierspray für das Cabrio-Verdeck hier liegen lassen?
Ich bücke mich, um unter das Auto zu greifen, als mich eine sanfte Gewalt erfasst und einige Meter nach hinten taumeln lässt. Vor Schreck gehe ich in die Knie. Was war das? Ich starre fassungslos aus vier Metern Abstand unter das Auto. Da ist nichts zu erkennen, sieht aus wie immer. Der Druck ist auch weg.
Das kann ich mir nicht einbilden, oder?
Jetzt ist mein Kampfgeist geweckt. Trotzig denke ich: Na warte, wollen wir doch mal sehen, wer hier was zu melden hat.
Sicherheitshalber krieche ich auf allen vieren entschlossen, aber langsam auf mein Auto zu. Den Blick dabei starr und aufmerksam nach vorn gerichtet. Dort ist immer noch nichts zu sehen. Niemand hält mich auf.
Ich erreiche das verschmutzte Vorderrad. Halte mich mit der Rechten am Reifen und packe blitzschnell mit der linken Hand in das Nichts unter den Wagen. Sie prallt unerwartet auf einen unsichtbaren Widerstand, so als greife ich in eine gespannte Wolldecke.
Im gleichen Augenblick packt mich eine starke Kraft, die ich nicht erwartet hatte und schleudert mich quer durch die Tiefgarage. Wie eine Briefmarke im Sturm werde ich in die andere Ecke gewirbelt, wo ich benommen in mich zusammensacke.
Mein Gott, was ist das? Ich spüre neben dem Schmerz im Kreuz, wie sich eine kalte Gänsehaut von den Waden über den Rücken bis zur Kopfspitze ausbreitet. Meine Nackenhaare sträuben sich. Ich spüre Angst! Blut tropft mir aus der Nase.
Es ist immer noch nichts zu sehen zwischen mir und dem weißen Cabrio auf der anderen Seite der Tiefgarage. Ich atme gehetzt, die mit Abgasen geschwängerte Luft ein. Mir wird schwindelig und ich reiße meine Augen weit auf, kämpfe dagegen an. Bloß nicht ohnmächtig werden, dann bin ich geliefert!
Wer oder was zum Teufel hockt da unter meinem Auto? Diese Frage bohrt sich in mein Gehirn. Was für ein beschissener Albtraum ist das hier?
Januar 2021
Titelbild: Ingo M. Ebert (privat) – Albtraum Tiefgarage
© 2021 Ingo M. Ebert
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