Mein Reiseerlebnis – Moskau 2009

Es war nicht meine erste Reise nach Moskau, aber zum ersten Mal im Sommer. Sonst hatte ich Moskau immer bei Schnee und Kälte erlebt, aber dieses Mal zeigte sich Moskau beim Anflug von seiner sonnigen und grünen Seite und diesmal hatte ich eine charmante, russischsprachige Begleitung dabei, meine Frau! Entspannt stiegen wir in Domodedovo aus dem Ferienflieger, wo wir einen leckeren Snack, eine Currywurst aus der legendären Sansibar für nur 6,50 Euro das Stück gegessen hatten, um sofort die Gastfreundschaft der russischen Behörden zu genießen. Nach nur einer dreiviertel Stunde in einem riesigen internationalen Menschenpulk, erhielten wir den Einreisestempel in unserem Pass. Sogar die Koffer waren sofort da und ohne Zollkontrolle standen wir wenige Minuten später in der riesigen Ankunftshalle, wo uns halb Moskau mit „Taxi, Taxi!“ begrüßte. Und ich dachte immer, „Herzlich Willkommen“ auf Russisch heißt anders. Mit einem freundlichen Lächeln verneinend kämpften wir uns so langsam in Richtung Ausgang vor.

Privat-Chauffeur

Wir hatten unseren „Privat-Chauffeur“ bereits in Deutschland geordert, der alte Freund meiner Frau wollte uns unbedingt persönlich abholen. Zum Glück hat er uns gefunden, denn wir hatten keine Ahnung, wie er aussah nach mehr als 20 Jahren.

Meine Liebste muss sich anscheinend nicht verändert haben, denn nun sprach uns ein Mann direkt an und nach einem kurzen zögern erkannte meine Begleitung Ihren Freund, einen gut aussehenden Mann. Und ein erfolgreicher noch dazu, denn er führte uns zu einem neuen großen schwarzen Geländewagen, womit wir wenige Minuten später mit 180 km/h klimatisiert in Richtung Moskau Zentrum donnerten.

Autofahren in Moskau

Auf meine Frage nach Geschwindigkeitsbegrenzungen erklärte er mir, dass hier 100 km/h erlaubt sein, aber bis 130 km/h lohnt es sich nicht für die Polizei jemanden anzuhalten, da die Strafen mit 100 Rubel (entspricht knapp 2,- Euro) zu gering wären. Deshalb fahren eben alle etwas schneller, egal wo, auch in 30-iger Zonen! Je näher wir Moskau kamen, umso voller wurde es auf der 10-spurigen Autobahn und wir fuhren nun inklusive Standstreifen 8-spurig in eine Richtung. Dabei galt eine einfache Regel, jeder überholt jeden, wie und wo er kann, wobei große Wagen mit vielen PS klar im Vorteil waren, denn beim Kampf um eine freie Lücke hatte der „Stärkere“ Vorfahrt. Ich schwitzte trotz Klimaanlage und hatte mir, obwohl mir versichert wurde, es sei nicht nötig, den Sicherheitsgurt umgelegt! Was mit einem „typisch europäisches Weichei- Grinsen“ quittiert wurde.

Bei Stopp and Go bis 80km/h, alle Spuren ausnutzend, erzählte unser Freund mit Händen und Füßen die letzten zwanzig Jahre im Schnelldurchlauf und zeigte uns nebenbei die Sehenswürdigkeiten auf dem Autobahn – Außenring von Moskau, wobei er sich immer wieder zu mir umdrehte, um sicher zu sein, dass ich auch alles verstanden hatte. Ich habe sehr wenig verstanden! Es lag nicht nur an der sehr schnellen Redeweise des Moskauers, vielmehr daran, das ich mich darauf konzentrierte, die extremen Beschleunigungs -und Bremswerte zu absorbieren und mich schlicht und einfach festhalten musste.

Die Sehenswürdigkeiten waren hier vor allem die gigantisch riesigen Shoppingcentern und -häusern aller europäischen Handelsfirmen und Autohersteller. Es gab hier alles von Aldi bis VW, nur eben 10mal größer!

Wohnen in der Hauptstadt

Nach ca. zwei Stunden, welche mir auch 10-mal länger vorkam, hatten wir unser Ziel, eine mehrgeschossige Neubau-Plattensiedlung im Südwesten von Moskau erreicht. Obwohl erst vor fünf Jahren gebaut, sah das Haus schon sehr verwohnt aus. Was aber noch viel schlimmer war, es gab keine Parkplätze für die Anwohner. Die wurden bei der Planung und der Umsetzung des Bauabschnittes absichtlich vergessen. Kein Geld dafür! So parkten alle wild durcheinander auf den Gehwegen und auf den wenigen „Grünflächen“. Dementsprechend traurig sah der Stadtteil aus. Die Wohnung war sehr geräumig, Top eingerichtet und mit den modernsten Sicherheitsstandards versehen.

Als ich das erste Mal in Moskau war, habe ich mich noch gewundert, wieso alle Eingangstüren mit riesigen Eisenplatten oder – panzerungen versehen waren und der Einlass nur mit Code funktioniert, egal wie alt die Wohnung bzw. arm die Bewohner waren. Aber anscheinend gab es immer noch ärmere oder kriminellere Leute. Daran und an die bettelnden Alten an den Metro-Stationen musste ich mich erstmal gewöhnen.

ehrliche Gastfreundschaft

Doch zurück zu meiner heutigen Ankunft: überschwänglich vom Rest der Familie begrüßt, wurden wir mit typisch russischer Gastfreundschaft sofort mit Essen und Getränken überhäuft, als wären wir gerade einer Hungersnot in der Sahara entkommen. Und das die gesamten 9 Tage lang! Ich wusste bis dato gar nicht, dass man problemlos pro Tag ein Kilo zunehmen kann! Obwohl wir die nächsten Tage hauptsächlich zu Fuß unterwegs waren, konnte ich mein Bauch förmlich wachsen sehen. Es war aber auch schwierig nein zu sagen, denn alles war für mich neu, sah lecker aus und schmeckte vorzüglich.

Aber nicht nur das Essen beeindruckte mich nachhaltig! Da waren vor allem die Sehenswürdigkeiten, wie der Rote Platz mit Kreml, die unzähligen Kuppelkirchen, die inzwischen renovierten Häuserzeilen vom Anfang des 19. Jahrhunderts im Zentrum, die Christ-Erlöser-Kathedrale an der Moskwa, Zarizyno-Schlosspark und die riesigen exklusiven Kaufhäuser ZUM und GUM. Selbstverständlich haben wir eine Fahrt auf der Moskwa mit dem Schiff gemacht. Meine absoluten Höhepunkte waren der Kreml mit der Rüstkammer und das Kosmonauten-Museum.

Kremlmauer
Kremlmauer

Entspannter und schöner waren für mich der Besuch des Freilichtmuseums Kolomenskoje, wo wir unter anderem das Original-Sibirische Blockhaus von Peter den Ersten besichtigt haben und die Sperlingsberge, die grüne Lunge Moskau´s. Die Sperlingsberge haben wir mit einem Skilift neben der Sprungschanze „erklommen“ und danach uns erstmal mit einem echten Moskauer Eis erholt.

Sperlingsberge in Moskau
Die Sperlingsberge von Moskau

Danach schlenderten wir an den unzähligen Souvenirständen mit kommunistischer Vergangenheit und den obligatorischen Matrjoschkas vorbei, um dann den Berg hinab zur Metro-Bahn Station Worobjowy Gory zu wandern. Wie alle Moskauer Metrostationen eine sehenswerte Attraktion, aber hier eine Besonderheit: diese Station befindet sich in luftiger Höhe an der Unterseite einer Autobahnbrücke mit freien Blick auf die Moskwa.

ein schöner Brauch

Eine weitere Attraktion und ein Muss für alle Verliebten ist der Besuch der Hochzeitsbrücke oder Luzhkov Brücke (rus.Luzhovskij) offiziell auch Tretjakov Brücke (rus.Tretjakowskijin) gennannt. Auf dieser Brücke über die Moskwa, sind mehrere Metall-Bäumchen aufgestellt worden, wo Verliebte und frisch Vermählte sich zum Zeichen der ewigen Liebe mit einem Vorhängeschloss, mit Namensgravur, verewigen. Der Schlüssel wird dann, meist unter Beifall zahlreicher Schaulustiger, in den Fluss geworfen und mit Champagner verabschiedet.

An Hand der Größe und der kunstvollen Gravur der Schlösser, kann man sehr schön die Größe der Liebe des Paares oder besser die des Geldbeutels erkennen.

Luzhkov Brücke (rus.Luzhovskij) offiziell auch Tretjakov Brücke
Luzhkov Brücke (rus.Luzhovskij) offiziell auch Tretjakov Brücke

Leider war mir dieser Brauch bis dato unbekannt und so war ich unvorbereitet. So werde ich wohl das nächste Mal wieder hierherkommen müssen. Passt mir auch ganz gut, denn nun habe ich noch genügend Zeit, mir Gedanken über die Größe, die Form und die Gravur des Schlosses zu machen. Man muss schließlich bedenken, dass ja die Größe durch die Freigepäckmenge der Fluggesellschaften eingeschränkt ist und der Schlüssel ja noch von mir, ohne Kran, über das Geländer geworfen werden muss. Und was ist mit einem Zahlenschloss?? Aber das ist ein anderes Thema!

Theater Besuch

Der Besuch Moskaus ohne den Besuch eines der zahlreichen Theater ist undenkbar. Ob Schauspiel, Oper, Operette oder Ballett, täglich kann man irgendwo eine Vorstellung besuchen. Die Karten dafür bekommt man günstig an fast jeder Metro-Station, in speziellen kleinen Verkaufshäuschen. Während meine Partnerin mit der Verkäuferin die Angebote und die freien Plätze durch geht, überlege ich angestrengt, wie die etwas korpulente Dame in diesen reingekommen ist. Und was mir noch interessanter erschien, wie lange sie in dieser eingeengten Position aushalten konnte?

Einkaufen in Moskau

Vom Nachdenken bekam ich Hunger und kaufte mir einen Stand weiter eine Teigtasche mit Hackfleisch. Das ist das Praktische in Moskau, an jeder Metro- oder Busstation befinden sich zahlreiche kleine Kioske oder besser gesagt, kleine Verschläge, mit Essen und Trinken für wenig Geld. Auch Handys, Spielzeug, Miederwaren, Uhren, CD´s und DVD´s, Mützen und Souvenirs kann man dort günstig erwerben. Vom Kauf einer kann ich nur abraten, das Uhrwerk stellt mit dem Verlassen des Landes bzw. beim Start des Flugzeuges garantiert seine Arbeit ein!

Wenn ich schon mal beim Thema kaufen bin, hier meine Empfehlung: gut und günstig haben wir in den Wohngebieten, außerhalb des Zentrums gekauft: diverse CD´s mit russischer Popmusik, russische Klassiker wie Puschkin, Tolstoi und Tschechow, Winterjacken, -mützen und Schuhe, Goldschmuck und tonnenweise russisches Konfekt!

Doch Vorsicht: die Damen am Flughafen sind unerbittlich, was jedes Kilo Übergepäck betrifft! Den strengen Zoll wollte ich noch vollständiger weise erwähnen!

Die Theaterkarten waren jedenfalls ihr Geld wert. Auch wenn ich nicht alles verstanden habe, aber allein die Atmosphäre, ein volles Haus und die großartig gekleideten Theaterbesucher waren schon sehenswert.

ein Wochenendausflug

Das Moskau die Hauptstadt von Russland ist, weiß jedes Kind. Aber wer Moskau kennt oder gesehen hat, kennt noch lange nicht das flächenmäßig größte Land der Erde. Das wurde mir sehr anschaulich vor Augen geführt, auf unserem Wochenendausflug auf die Datscha ins Moskauer Umland. Nur 150 km, quasi ein Klacks für einen Russen. Drei Stunden später waren wir mit dem Geländewagen am Ende der Welt. Ich erwartete jeden Augenblick einen breiten Bretterzaun quer über den unbefestigten Feldweg mit der Aufschrift: Stopp! Hier ist die Welt zu Ende!

ein Wochenendausflug
die Straße in das Dorf

Umso erstaunlicher war, dass auf einmal ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Holzhäuser nach einem großen Waldstück, aus unserer riesigen, aufgewirbelten Staubwolke, auftauchte. Auf dem total mit Unkraut zu gewachsenen gab es sogar eine Straßenlaterne. Die einzige weit und breit! Wahrscheinlich diente sie als Orientierung und Dorfmittelpunkt zugleich.

Automobil Wolga

Mir war etwas unheimlich zumute, kein Mensch zu sehen und eine Totenstille umgab uns, nach der lauten und holprigen Anfahrt. Aber wir waren nicht die Einzigen, wie sich später bei einem Verdauungsspaziergang herausstellte.

Auf dem sehr großen Grundstück unserer Freunde standen ein großes, zwei stockiges Dorfhaus, sogar aus Stein, zwei kleinere Gartenhäuser, ein Pool und eine große Holzhütte mit Grillkamin. Das große Haus sollte nach und nach saniert werden. Solange lebte man im Gartenhaus. Aber das Billardzimmer im Dachgeschoß war schon fast fertig!

Das Leben auf dem Dorf

Das eine Gartenhaus entpuppte sich als russische Sauna „Banja“ mit Küche und Esszimmer. (http://de.wikipedia.org/wiki/Banja) Einfach eingerichtet und gemütlich. Sofort wurde der Ofen mit Kaminholz angefeuert und das abendliche Grillfest durch die Frauen vorbereitet. Als Gast durfte ich inzwischen ein paar Runden im Pool drehen und genüsslich ein Bier in der Sonne trinken. Ach, wie schön kann Urlaub sein!

eine Runde im Pool
eine Erfrischung im Pool

Nach der Banja und dem obligatorischen Festessen mit Fisch und Fleisch vom Grill, Salaten, Brot und Wodka mussten wir uns unbedingt mal die Beine vertreten.

Also ging es kurz vor Sonnenuntergang ins Ortszentrum mit dem typischen Gedenkstein, für die gefallenen Einwohner im Großen Vaterländischen Krieg. Der eingezäunte Gedenkstein hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, können sich anscheinend die Einheimischen die Pflege des Ortes nicht mehr leisten und so verkommen der Ortskern und die Straßen immer mehr. Immerhin leuchtet die eine Straßenlaterne noch!

Früher sagte mir mein Freund, war der Dorfplatz voll mit Leben, hier trafen sich die Einwohner nach getaner Arbeit und die Kinder spielten hier oder ein Zirkus oder Karussell waren da. Heute ist der Platz voll mit Unkraut, Müll und lästigen Mücken! Die immer stärker werdende Dunkelheit und die Mücken treiben uns zurück in das Gartenhaus! Mit einem letzten Blick zum klaren Himmel und dem überwältigten Sternenpanorama schlüpfe ich zurück in das Gartenhaus. Dort wurde noch weit bis Mitternacht, gespielt, getrunken und gelacht.

Auf dem Weg zurück nach Moskau überraschte uns unser Freund mit einer Attraktion: einer heiligen Quelle, abseits von der Hauptstraße und nur Eingeweihten zugänglich.

die Heilige Quelle

Nicht mal eben so eine lausige Quelle, die vergnügt einen Berg hinunter plätschert! Nein, nach ungefähr 20 Minuten querfeldein begrüßte uns als erstes eine riesige Holzkirche. Dann folgten wir einem ausgebauten Holzsteg an einer kleinen Kapelle vorbei bis hin zur Quelle, mit mehreren Armen. An der Hauptquelle selbst waren drei Wasserrinnen. Dort konnten sich die Gläubigen waschen, duschen und Ihre mitgebrachten Wasserkanister füllen. Ich bin zwar nicht gläubig, habe mir aber trotzdem eine große Wasserflasche abgefüllt. Kann nicht schaden!

eine Kapelle an der Heiligen Quelle
eine Kapelle an der Heiligen Quelle
Bad in der Quelle
ein Bad in der Quelle für 100 Jahre Lebenszeit

Im Umkreis von ca. 800 m standen mehrere kleine Duschkabinen aus Holz im Wald verteilt und ein großer, steingemauerter Bottich zum Baden. Trotz einer Außentemperatur von 24 Grad war das Wasser eiskalt! Wenn man hundert Jahre und älter werden will, muss man halt die Zähne zusammenbeißen. Außerdem waren dort alle Besucher im Wasser. Zum Glück gab es keine Zeitvorgabe, wie lange man im Wasser verweilen muss, damit man die 100 Jahre auch schafft! Ich hoffe, meine eine Minute für ein Erinnerungsfoto im Bade, hat ausgereicht. Anderseits wäre ich spätestens nach 5 Minuten sowieso einen Kältetod gestorben. Nachdem ich mir den dort geholten Schnupfen überlebt habe, bin ich nun optimistisch uralt zu werden!

Abschied

Die restlichen Tage in Moskau vergingen wie im Fluge. Und eh wir uns versahen, hieß es Abschied nehmen. Voll gepackt mit vielen tollen Eindrücken, Souvenirs und Konfekt machten wir uns auf den Heimweg nach Deutschland. Noch einmal im Stau stehen, den Autobahn-Außenring sehen und den lieben Freunden danken für die wunderschöne Zeit in Moskau. Sie ließen uns ungern gehen, nur nachdem wir versprochen hatten, wir kommen wieder!

© 2020 Ingo M. Ebert Titelbild: Foto (privat)
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