Der perfekte Tausch
Levi, der Kater
Heute ist Sonntag. Ich liebe das Wochenende, da sind alle so entspannt und besonders freundlich zueinander. Meistens schlafen auch alle etwas länger als an den Wochentagen. Mir ist egal, welcher Tag heute ist, ich schlafe immer ausgiebiger als meine Freunde hier auf dem Bauernhof.
Das wird ein guter Sommertag. Ich spüre so etwas sofort. Es liegt etwas Magisches in der Luft. Die Vögel zwitschern lauter als sonst und die Sonne scheint jetzt schon grell vom fast wolkenlosen Himmel herab. Der lauwarme Wind pustet die Schirmchen vom Löwenzahn von der Weide herüber. Ich strecke mich auf meinem Heulager, gähne mit aufgerissenem Maul und blinzele zu meinem Freund Amigo hinüber. Die Schlafmütze ist heute noch nicht wach. Wahrscheinlich träumt er von unserem gestrigen Ausflug zur alten Weide.
Es wird Zeit für meine tägliche Kontrollrunde über den Bauernhof. Ich beginne immer direkt neben der Eingangstür vom Stall, dort, wo der Bauer extra für mich einen Futternapf aufgestellt hat. Auch heute liegen darin feine Leckereien, Fleischreste vom Abendessen. Da kann ich nicht widerstehen und fresse den Napf komplett leer. Zum Schluss wird er blitzeblank geleckt. Hm, das war lecker! Frisch gestärkt biege ich nach links ab. Auf dem Fensterbrett liegt mein hellgrüner Softball, mein Lieblingsspielzeug. Das ist mein Begrüßungsgeschenk von dem kleinen Maxim gewesen, dem jüngsten Sohn der Bauernfamilie, als ich vor Monaten hier angekommen bin. Ich bin ganz verrückt danach. Er wirft den Ball immer so, dass ich ihn noch in der Luft fangen kann, während ich mich dabei fast überschlage.
Ob Maxim schon wach ist und mit mir spielen wird? Die Kontrollrunde kann warten. Schwups springe ich aus dem Stand auf das Fensterbrett und schnappe mir den kleinen Ball. Mit der grünen Kugel im Mund flitze ich hinüber zum Bauernhaus. Ich biege um die Scheunenecke und stoße mit Bruno zusammen. Der schwarze Labrador liegt wie immer mitten im Weg. Es sind schon alle Bewohner vom Bauernhof über ihn gestolpert. Aber es macht ihm nichts aus, er lässt sich davon nicht stören.
Bruno, der Labrador
Bruno öffnet sein rechtes Auge und blinzelt mich an. „Wohin des Wegs so eilig?“, will er wissen. Ich lege meinen Softball ab, denn mit vollem Mund soll man nicht sprechen. Erstens kann man sich verschlucken und zweitens versteht niemand das Genuschelte.
„Ich möchte zu Maxim. Wenn er wach ist, wird er sicher mit mir spielen.“
Bruno schaut mich nun mit beiden Augen an und sein Blick bleibt am hellgrünen Ball hängen. Er mag auch Bälle, genau wie ich. Aber wir spielen nie zusammen, weil er mir viel zu groß und stark ist. Obwohl Bruno immer sehr entspannt und ruhig daherkommt, beim Spielen mit dem Ball kann ihn niemand bändigen.
„Sag mal“, fängt Bruno langsam an, „wollen wir nicht tauschen? Du gibst mir diesen kleinen grünen Ball und ich gebe dir dafür mein Gummi-Schweinchen. Das ist viel größer und quiekt, wenn man drauf beißt oder mit der Pfote darauf drückt.“
Unsicher frage ich: „Ich weiß nicht, kann man das Schweinchen auch in der Luft fangen?“
„Sicher!“, bestätigt der Hund. „Man kann es sogar besser sehen, weil es orange ist.“
Der kleine Ball ist mein absolutes Lieblingsspielzeug und ich bin unsicher, ob es ein guter Tausch sein wird. Aber Bruno lässt nicht locker.
„Sieh mal, mit einem Schweinchen kann man auch kuscheln oder verstecken spielen!“, erklärt er mir.
Ich bin immer noch skeptisch. „Zeige mir mal das Quiek-Schweinchen.“
„Klar, sofort!“ Der Labrador rekelt sich und steht langsam auf. „Dann folge mir.“
Ich trotte mit meinem Ball hinter ihm her. Bruno geht nun wieder zurück in Richtung Scheune. Dort ist einer seiner vielen Schlafplätze auf dem Hof. Ein oranges Gummi-Schweinchen habe ich aber da noch nie entdeckt.
In der Scheune angekommen, fängt er mit der Suche an. Erst schnüffelt er eine Weile an verschiedenen Stellen herum und zieht dann hinter den Eimern ein faustgroßes, oranges Teil heraus.
„Aha, das ist also das super Schwein“, betrachte ich das orange Gummiteil.
„Genau, höre mal wie es quiekt.“ Bruno drückt mit der Pfote in die Mitte des Schweinchens und es quiekt tatsächlich, wie ein echtes kleines Ferkel.
„Wow!“ Ich bin fasziniert. Es ist größer als mein Softball, aber ich kann es noch mit meinem Maul greifen und hochheben. Max wird sicher staunen, wenn ich mit einem Quiek-Schweinchen auftauche.
„Habe ich dir Zuviel versprochen?“, Bruno reißt mich aus meinen Gedanken. „Tausch?“
„Tausch!“, bestätige ich und hebe meine Tatze. Bruno schlägt ein und das Tauschgeschäft ist damit besiegelt.
Mein neues Spielzeug muss ich jetzt unbedingt Max zeigen. Ich schnappe mir das Schweinchen und laufe zurück in Richtung Bauernhaus. Es ist schwerer als ich dachte. Bei jedem Schritt gibt das Schweinchen einen leisen Quiek von sich. Das bleibt nicht unbemerkt. Am Gatter der Wollschweine haben sich inzwischen mehrere Ferkel versammelt, welche auf jedes Quiek-Geräusch von meinem Schweinchen mit lautem Quieken antworten. Das hat mir gerade noch gefehlt. Inzwischen sind die anderen Tiere auch aufmerksam geworden und schauen gespannt auf mich.
Titelbild: Illustration Andrea Schramek (andi-art-love), Wien
© 2022 Ingo M. Ebert
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autoren wiedergegeben werden.
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