Lukje bekommt Besuch
von Hendrike Adriaensen
Hoch in den Bäumen, da wohnen die Uuk-ocks. Sie machen es sich in ihren Baumhäuschen, die sie mit viel Geschick und Einfallsreichtum bauen, gemütlich und verbringen ihre Tage gern damit, in den Himmel zu schauen und zu träumen. Das macht auch der kleine Lukje am liebsten. Er wohnt in einer knorrigen Eiche, ganz allein, denn Uuk-ocks sind selten und sie leben meist für sich.
An einem schönen Sommermorgen, nach dem Frühstück, schlummert Lukje gerade auf seiner Veranda, als Vlinder, der kleine Schmetterling, vorbeigeflogen kommt.
„Ich habe eine Nachricht von deiner Großtante: Sie kommt dich morgen besuchen“, flüstert er Lukje zu.
„Oh je, schon morgen?“, ruft Lukje erschrocken. „Dann muss ich mich jetzt aber beeilen. Tschüss Vlinder und danke!“
Vlinder fliegt geschäftig weiter.
Lukje überlegt, was alles zu tun sei: Er möchte einen Kuchen backen, sein Baumhäuschen aufräumen und die Rinde seiner Eiche bürsten. Seine Großtante ist eine bekannte und wichtige Uuk-ock und erwartet von Lukje tadelloses Benehmen und ein sauberes Heim.
„Los geht’s“, ruft Lukje sich zu.
Er hat gerade Eichelmehl, Lindenblütenzucker und Baumharz für den Kuchen bereitgestellt, als Merell, die goldbraune Amsel, auf einem Ast an seinem Baumhaus landet.
„Hallo Lukje, wie geht es dir?“, zwitschert sie ein wenig atemlos.
„Ganz gut, ich wollte gerade …“, plaudert Lukje los, als Merell ihn unterbricht.
„Entschuldigung, aber kannst du mir vielleicht kurz helfen?“, fragt sie. „Ich habe ganz schöne Flauschflocken entdeckt und möchte sie schnell zu meinem Nest bringen. Dann wird es noch kuscheliger.“
Lukje überlegt kurz. Er hat ja noch den ganzen Tag Zeit und den Kuchen kann er notfalls auch heute Nachmittag backen.
„Ja, ich helfe dir.“
Lukje klettert schnell an seiner Eiche hinunter und folgt Merell zu einem kleinen Rasenflecken, auf dem weiche, flauschige Flocken liegen. Schnell versucht er, so viele Flusen wie möglich einzusammeln. Doch sie wehen immer wieder weg. Es dauert eine ganze Weile, bis Merell und Lukje alle Flocken eingesammelt und ins Nest gebracht haben.
„Danke, Lukje“, ruft Merell und fängt an, ihr Nest gemütlich zu polstern.
Lukje eilt zurück zu seiner Eiche. Wenn er jetzt zuerst die Rinde bürstet, kann er danach mit dem Kuchen weitermachen.
Er will gerade den Stamm hinaufklettern, als Molshoop, der dicke Maulwurf, neben ihm aus der Erde kommt.
„Hallo Molshoop“, sagt Lukje.
„Hallo Lukje. Ach, das ist gut, dass ich dich treffe. Ich habe gerade einen neuen Gang gebaut, hier, einmal um deine Eiche herum und weiter zum Buchenwald. Hast du Zeit mir zu helfen, die Erde wegzuschaufeln?“, fragt Molshoop.
„Ähm …“, macht Lukje. Er denkt nach. Den Baumstamm bürsten kann er vielleicht auch morgen früh noch.
„Ja, ich helfe dir.“
„Prima!“ Molshoop verschwindet in seinem Loch und kurze Zeit später wirft er Erdbrocken um Erdbrocken heraus. Lukje schafft soviel er kann zu der kleinen Tanne. Hier stört die Erde niemanden. Bald ist Lukje außer Atem und voller Matsch, denn die Erde ist schwer und feucht. Nach einer langen Zeit steckt Molshoop den Kopf aus seinem Loch.
„So, das war alles an Erde. Danke, Lukje.“
Lukje wischt sich so gut es geht sauber und klettert dann flink den Stamm hinauf. An seinem Baumhäuschen angekommen, fällt sein Blick auf die Zutaten für den Kuchen.
„Gut, dann jetzt doch erst der Kuchen“, entscheidet er.
Da hüpft Ruik, das rote Eichhörnchen, auf seine Veranda.
„Hallo Lukje“, ruft es. „Backst du Kuchen?“
„Ja, morgen kommt schon meine Großtante“, sagt Lukje. „Ich wollte auch noch sauber machen und aufräumen.“
„Ach so,“ sagt Ruik. „Weiß du, es ist so, ich suche nämlich gerade meine Nüsse, die ich im Herbst in deiner Eiche versteckt habe. Kannst du vielleicht mit suchen?“, fragt Ruik.
Lukje überlegt. Er hat noch so viel zu tun. Und es ist schon spät. Aber vielleicht kann er heute Abend noch aufräumen.
„Ich helfe dir gern,“ bietet Lukje an.
Gemeinsam mit Ruik hüpft er von Ast zu Ast durch den ganzen Baum. Die Eiche ist sehr groß und hat viele Äste. Lukje guckt in jede Astgabel, steckt seine Finger in jede Kerbe der knorrigen Rinde und prüft den dicken Ast, der schon seit Jahren hohl ist. Aber nirgends findet er Nüsse. Es wird schon spät und schließlich sagt Ruik: „Nun, weißt du, vielleicht ist es doch die Eiche hinten am Bach, in der meine Nüsse lagern. Ich schauen dort noch schnell vorbei. Aber danke, dass du mir geholfen hast!“
Lukje setzt sich müde auf seine kleine Veranda. Es ist schon fast dunkel. Nun kann er nicht mehr aufräumen oder die Baumrinde säubern und den Kuchen schafft er bestimmt auch nicht. Lukje ist traurig. Wenn morgen seine Großtante kommt, wird sie bestimmt enttäuscht von ihm sein. Seufzend geht er in sein Baumhäuschen.
Da hört er auf einmal ein Zwitschern, Pfeifen und Grummeln. Er schaut aus seiner Tür hinaus und sieht Merell, Molshoop und Ruik. Die drei bereden irgendetwas und dann kommt Merell hinaufgeflogen.
„Lukje, wir helfen dir! Ich räume mit dir dein Baumhaus auf. Molshoop backt dir einen seiner leckeren Sandkuchen. Und Ruik bürstet mit seinem buschigen Schwanz deine Rinde ordentlich aus.“
Und das machen sie dann auch. Noch bevor es richtig dunkel ist, hat Ruik die Rinde des ganzen Baumstamms tüchtig ausgebürstet, Molshoops Kuchen steht in der Baumhausküche und duftet herrlich und Merell hat sogar die Krümel von Lukjes Frühstück aus dem Teppich gepickt.
© 2020 Hendrike Adriaensen – Titelbild von Hendrike Adriaensen
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